Diplomarbeit

Andreas Bühlmann | RWTH Aachen | 1996

Der Einfluß der Musik in Ladengeschäften auf die momentane Stimmung von Konsumenten – eine theoretische und empirische Analyse

1 Einleitung

1.1 Musik, Stimmung und Marketing

Musik ist mehr als nur ein Unterhaltungsmedium. Sie kann dazu eingesetzt werden, um bestimmte Marketing-Ziele zu erreichen. Musik wird deshalb in sehr vielen Radio- oder Fernseh-Werbespots als Jingle, Werbelied, Kurzmotiv oder Hintergrundmusik verwendet. In Ladengeschäften oder Restaurants wird Musik oft dazu benutzt, um die Atmosphäre angenehmer zu gestalten. Mit dem Einsatz von Musik sollen vor allem Emotionen vermittelt werden. Die häufige Verwendung emotionaler Elemente im Marketing hat folgende Gründe: Auf vielen Märkten ist es aufgrund von Sättigungstendenzen zunehmend schwierig, mit Produkt- oder Preisdifferenzierungen Kunden zu beeinflussen. Produkte unterscheiden sich qualitativ und preislich kaum noch voneinander. Informationen über die Eigenschaften von Produkten sind austauschbar und deshalb trivial. Deshalb ist in solchen Fällen ein Trend zum sogenannten „Erlebnis-Marketing” zu erkennen. Es geht dabei im wesentlichen um die Vermittlung von Konsumerlebnissen und Lebensgefühlen. Statt Informationen sollen Emotionen bzw. Stimmungen vermittelt werden. Man hofft, auf diese Weise z.B. die Kaufbereitschaft der Konsumenten erhöhen zu können.

„Der häufige Einsatz von Musik in der Werbung und ihre wirtschaftliche Bedeutung stehen im deutlichen Gegensatz zum Stellenwert und Erkenntnisstand innerhalb der Werbeforschung” [1]. Diese Erkenntnis gilt noch mehr für den Einsatz von Musik in Ladengeschäften. Es gibt nur eine sehr begrenzte Anzahl von musikpsychologischen Untersuchungen in dieser Richtung. Auch aus der Stimmungsforschung gibt es noch nicht allzuviele Erkenntnisse, da es sich um einen noch relativ jungen Forschungszweig der Psychologie handelt. Einige Ergebnisse aus diesem Bereich können aber auf das Marketing übertragen werden. Dies wird noch zu selten getan, obwohl die Beeinflussung von Stimmungen als ein Erfolgsfaktor im Marketing anzusehen ist. Als weiterer relevanter Bereich ist noch die Umweltpsychologie zu nennen. Auch hierbei handelt es sich um eine eher neue Wissenschaft, die sich mit dem Einfluß der Umwelt auf das menschliche Verhalten beschäftigt. Dieser Bereich ist für das Marketing wichtig, wenn es z.B. um die Gestaltung einer verkaufsfördernden Ladenumwelt bzw. Ladenatmosphäre geht.

[1] Vgl. Tauchnitz, J.: Werbung mit Musik, a.a.O., S.2.

1.2 Problemstellung

In dieser Arbeit gilt es herauszufinden, ob eine Wirkung von Musik in Ladengeschäften auf die momentane Stimmung der Kunden theoretisch und empririsch nachgewiesen werden kann. Es geht also um die Untersuchung von drei Merkmalen: Die Musik, die Stimmung und das Ladengeschäft. Deshalb werden auch theoretische Erkenntnisse aus drei Bereichen analysiert:

  1. Umweltpsychologie (im Hinblick auf die Umwelt in einem Ladengeschäft)
  2. Stimmungsforschung (im Hinblick auf Stimmungen)
  3. Musikpsychologie (im Hinblick auf die Musik)

In allen drei Bereichen findet man Bezüge zum Marketing. Eine emprische Untersuchung soll außerdem weiteren Aufschluß darüber geben, ob speziell Musikstil und Musiklautstärke eine Wirkung auf die momentane Stimmung der Konsumenten haben.

1.3 Gang der Untersuchung

Die Arbeit ist grob in drei Bereiche unterteilt: Im ersten Teil werden die begrifflichen Grundlagen erläutert. Diese bilden die Basis für die theoretischen Grundlagen, die im zweiten Teil der Arbeit dargestellt werden. Im dritten Teil wird dann die emprische Untersuchung beschrieben, und in einer Diskussion der Ergebnisse dieses Experiments werden Implikationen für das Marketing abgeleitet. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der Arbeit mit einem kurzen Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten.

Im 2. Kapitel werden zunächst alle Grundbegriffe der Bereiche Umweltpsychologie, Stimmungsforschung und Musikpsychologie definiert.
Zuerst werden im Abschnitt 2.1 die umweltpsychologischen Begriffe dargestellt. Dazu gehört eine kurze Darstellung des grundsätzlichen Aufbaus von S-O-R-Modellen, auf dem sämtliche umweltpsychologischen Modelle des Kapitels 3.1 aufgebaut sind. Darauf folgt eine Definition der für die Umweltpsychologie grundlegenden Begriffe „Umwelt” und „Atmosphäre”.
Im Abschnitt 2.2 werden verschiedene Definitionen des Begriffs „Stimmung“, sowie Abgrenzungen oder Überschneidungen zu anderen ähnlichen Begriffen beschrieben. Dies ist jedoch oftmals schwierig, weil es in der Literatur einige Ungenauigkeiten und Fehler bei den Begriffsbestimmungen gibt. Nach der Darstellung dieser Probleme werden Stimmungsdimensionen erläutert, die den meisten Definitionen von Stimmungen zugrunde liegen. Aus diesen Dimensionen wird dann der für die Arbeit relevante Stimmungsbegriff abgeleitet.
Als letztes werden im 2. Kapitel im 3. Abschnitt der Begriff „Musik” und einzelne Musikelemente, die in musikpsychologischen Wirkungsanalysen (Kapitel 3.3) verwendet werden, definiert. Schließlich wird die Musik noch als eine spezielle Form der Kommunikation ins Marketing-Instrumentarium eingeordnet.

Im 3. Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der drei Bereiche Umweltpsychologie, Stimmungsforschung und Musikpsychologie dargestellt.
Im Abschnitt 3.1 wird als Ausgangspunkt der umweltpsychologischen Untersuchung das neobehavioristische S-O-R-Modell beschrieben, dessen Variablen dann anhand einer umweltpsychologischen Perspektive konkretisiert werden. Daraus werden schließlich einige umweltpsychologische S-O-R-Modelle abgeleitet und hinsichtlich ihres Erklärungsbeitrags zum Thema der Arbeit bewertet.
Im Abschnitt 3.2 werden zuerst die Ursachen und danach die Wirkungen von Stimmungen erläutert. Im ersten Fall wird die Stimmung als abhängige, im zweiten Fall als unabhängige Variable betrachtet. Danach werden mögliche Stimmungsoperationalisierungen dargestellt. Dabei werden zuerst Verfahren zur Messung des Ausdrucksverhaltens und der biophysiologischen Indikatoren beschrieben und anschließend einige Theorien zur Stimmungsoperationalisierung anhand von Stimmungsdimensionen erläutert und daraus Adjektiv-Skalen abgeleitet.
Im Abschnitt 3.3 werden die wenigen musikpsychologischen Untersuchungen dargestellt, die in der Literatur zu finden sind.
Aus den bisherigen Erkenntnissen werden dann im Abschnitt 3.4 innerhalb eines Bezugsrahmens die Hypothesen zum emprischen Teil der Arbeit abgeleitet.

Das 4. Kapitel beschreibt dann die Vorgehensweise bei der empirischen Untersuchung.
Im Abschnitt 4.1 wird der Versuchsaufbau erläutert. Es werden dabei die relevanten Variablen und das faktorielle Untersuchungsdesign dargestellt.
Im folgenden Abschnitt werden die unabhängigen Variablen und die abhängige Variable operationalisiert.
Der Abschnitt 4.3 beschreibt, wie, wann, wo und auf welche Weise die Untersuchung durchgeführt wurde.
Im darauffolgenden Teil werden die Methoden dargestellt, mit denen die Daten der Untersuchung ausgewertet wurden.
In Abschnitt 4.5 folgt dann die Darstellung der Ergebnisse.

Das 5. Kapitel analysiert im ersten Abschnitt die Ergebnisse des Experiments und leitet daraus Implikationen für das Marketing ab.
Im 2. Abschnitt dieses Kapitels werden noch kurz Grenzen und Probleme der Untersuchung erläutert, ehe im 6. Kapitel eine Zusammenfassung der Arbeit und ein kurzer Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten die Arbeit abschließen.

Kapitel 1

Ende

2 Begriffliche Grundlagen

2.1 Umweltpsychologische Begriffe

2.1.1 Das S-O-R-Grundmodell

In diesem Abschnitt soll erklärt werden, wie S-O-R-Modelle grundsätzlich aufgebaut sind. Das folgende S-O-R-Modell dient als Grundlage für die umweltpsychologischen Darstellungen in Kapitel 3.1. Alle S-O-R-Modelle bauen auf diesem Prinzip auf:

Abb. 1: Das einfache, allgemeine S-O-R-Grundmodell

Stimulus

    

Organism

    

Response

Ein Stimulus ist ein Reiz, der bei einer Person, an die der Reiz gerichtet ist, bestimmte Reaktionen (Response) hervorrufen soll. Meistens ist jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen den Stimulus- und Response-Variablen gegeben, sondern es existieren intervenierende Variablen (Organism). Organism-Variablen beschreiben innere, nicht-beobachtbare Verhaltensweisen. Response-Variablen hingegen umfassen offene (äußere), beobachtbare Verhaltensweisen.

2.1.2 Definition von Umwelt bzw. Atmosphäre

Von zentraler Bedeutung für die Umweltpsychologie ist der Begriff „Umwelt”. Er kann sehr weit gefaßt werden - von großen Landschaften bis zu einem kleinen, abgegrenzten Raum. Im folgenden soll eine spezielle Form der Umwelt als Stimulus-Variable gesehen werden, nämlich die Umwelt eines Ladengeschäftes. Man kann unterscheiden zwischen der Makro- und der Mikro-Umwelt eines Ladens. Die Makro-Umwelt bezieht sich auf die Umgebung außerhalb eines Ladens, wie z.B. ein Einkaufsbezirk, eine Einkaufsstraße oder ein Stadtviertel. Von größerer Relevanz für diese Arbeit ist jedoch die Mikro-Umwelt, die innerhalb eines Ladens zu finden ist. Dies kann die Umwelt in einem kleinen Einzelhandelsladen oder die Umwelt in einem großen Kaufhaus sein. Statt von der Umwelt kann man in diesem Zusammenhang auch von der Atmosphäre eines Ladens sprechen. Dabei handelt es sich um ein sehr komplexes Phänomen, das sich aus der Kombination vieler Elemente ergibt. Dazu gehören neben der Musik die Beschaffenheit und Farbe von Boden, Decke und Wänden, die Art und Helligkeit der Beleuchtung, der Aufbau von Regalen und Ständern, die Dekoration usw. Eine solche einfache Aufzählung von Elementen bedarf aber einer systematischen Ordnung. Eine mögliche Systematisierung ist die Unterteilung der Ladenatmosphäre in die folgenden Elemente:

  • Ladenstrukturelemente im Inneren, wie z.B. Wege, Wände, Warenanordnung, Orientierungshilfen usw.
  • Warenpräsentationstechniken, wie z.B. verschiedene Arten von Warenträgern, Warenaufbauvarianten, Dekorationen usw.
  • Atmosphärische Umfeldelemente, wie z.B. Musik, Farben, Ausleuchtung, Duftnoten usw.

Als weiteres Element können noch die Außengestaltungselemente (Architektur, Außenfarben, Signet) genannt werden. Da es aber um die Atmosphäre im Laden geht, ist dieses Element von geringerer Relevanz.

Da ein Konsument die Ladenatmosphäre durch die Sinnesorgane wahrnimmt, kann man eine bestimmte Atmosphäre auch mit Hilfe von visuellen, olfaktorischen, taktilen und akustischen Reizdimensionen systematisieren:

  • Visuelle Reize sind Reize, die vom Auge aufgenommen werden können, wie z.B. Farben, Helligkeit, Größe des Ladens, Form des Ladens usw.
  • Olfaktorische Reize sprechen den Geruchssinn eines Menschen an. Dazu gehören im wesentlichen der Geruch oder der Duft im Laden.
  • Taktile Reize sprechen den Tastsinn einer Person an, wie z.B. die Beschaffenheit von Regalen, Wänden, Boden, die Temperatur im Laden usw.
  • Zu den akustischen Reizen, die den Gehörsinn ansprechen, gehören u.a. die allgemeine Geräusch-Lautstärke, Durchsagen per Lautsprecher oder Musik.

Als fünfte Dimension könnten noch gustatorische Reize, die den Geschmackssinn ansprechen, genannt werden. Diese spielen jedoch keine Rolle bei der Atmosphärenwahrnehmung und sind deshalb irrelevant.

Die Systematisierung nach den Reizdimensionen ist der zuerst beschriebenen Systematisierung vorzuziehen, da sie allgemeiner anwendbar ist und sich auf die Wahrnehmung durch den Kunden bezieht. Musik ist also als akustischer Reiz und damit als ein Bestandteil der Umwelt bzw. Atmosphäre eines Ladens anzusehen.

2.2 Stimmungsbegriffe

2.2.1 Mögliche Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen

Eine eindeutige Definition des Begriffs „Stimmung” („mood”) ist sehr schwierig, da man in der Literatur viele verschiedene Definitionen findet. Auch die Abgrenzung von Stimmungen zu anderen Begriffen ist oft nicht eindeutig möglich. Bestimmte Definitionen von Stimmungen überschneiden sich mit den Definitionen von anderen Begriffen. Zu den Ausdrücken, die im Zusammenhang mit Stimmungen verwendet werden, gehören vor allem „Emotionen” („emotions”) oder „Gefühle” („feeling states” oder „feelings”), deren Bedeutungen und Beziehungen zu den „Stimmungen” im folgenden erläutert werden sollen.

Eine Stimmung kann

  • als subjektiv wahrgenommener affektiver Zustand einer Person oder
  • als Eigenschaft eines Objektes

betrachtet werden.

Im letzteren Fall wird einem Objekt eine bestimmte Stimmung zugeschrieben. Solche Objekte können z.B. Displays oder die Musik in einem Ladengeschäft sein, die dann per se eine bestimmte Stimmung haben. In der musikpsychologischen Literatur (siehe Kapitel 3.3) findet man viele Beispiele, in denen der Musik (und nicht der Person) eine Stimmung zugeschrieben wird. Inwiefern ein Zusammenhang zwischen der Stimmung der Musik und der Stimmung einer Person besteht, wird im Kapitel 3.3 erörtert werden.

Da aber letztlich die Stimmung einer Person in dieser Arbeit im Vordergrund steht, ist es zweckmäßiger, die Stimmung als subjektiv wahrgenommenen affektiven Zustand einer Person (siehe 1. Definition) zu beschreiben. Nach Gardner kann man dann auch von den Gefühlen einer Person sprechen. Mit Gefühlen sind generelle und durchdringende affektive Zustände einer Person gemeint. Sie sind also allgemeiner Natur und können ungerichtet oder auf bestimmte Objekte gerichtet sein. Als Unterkategorien von Gefühlen kann man zwischen

  • langfristigen Stimmungen und
  • kurzfristigen (momentanen) Stimmungen

unterscheiden.

Langfristige Stimmungen sind meistens unbewußt, relativ stabil und permanent, was aber nicht ausschließt, daß solche Stimmungen bei Betrachtung genügend langer Zeiträume schwanken können. Sie werden von Isen als „low-level 'everyday’ feeling states” bezeichnet.

Sind Stimmungen nur vorübergehend und mit bestimmten Zeiten und Situationen verbunden, dann geht es um momentane Stimmungen.

Zu einer Systematisierung, die der obigen teils ähnlich teils widersprechend ist, kommen Silberer/Jaekel. Nach ihrer Literaturrecherche kommen sie zu dem Schluß, daß es drei verschiedene Stimmungsbegriffe gibt:

  1. Die Stimmung als ungerichtete, schwach intensive und länger andauernde Befindlichkeit. Hiermit sind die eben dargestellten langfristigen Stimmungen gemeint.
  2. Die Stimmung als temporäre Verhaltensdisposition. Zu dieser Kategorie zählen Stimmungen, die in direktem Zusammenhang mit dem Verhalten einer Person stehen. Diese Abgrenzung ist jedoch nicht sinnvoll, da sie schon die Verhaltenswirkungen von Stimmungen miteinbezieht.
  3. Die Stimmung als ungerichtete, subjektiv erfahrene Befindlichkeit. Hierbei geht es um die kurzfristigen bzw. momentanen Stimmungen.

Es muß betont werden, daß nach diesen Definitionen die lang- und kurzfristigen Stimmungen ungerichtet sind, d.h. sie sind nicht auf bestimmte Situationen oder Objekte gerichtet. Im Falle der momentanen Stimmungen steht dies im Widerspruch zu der oben genannten Definition nach Gardner. Man kann deshalb sagen, daß langfristige Stimmungen eher ungerichtet sind, während momentane Stimmungen gerichtet oder ungerichtet sein können.

Die momentanen Stimmungen, die in dieser Arbeit relevant sind, sind eher gerichteter Natur, da sie

  • auf eine bestimmte Situation (die Atmosphäre bzw. die Musik (als Teil der Atmosphäre) in einem Ladengeschäft) und
  • auf bestimmte Handlungen (die Einkaufsvorgänge)

gerichtet sind.

Solche momentanen Stimmungen sind dem in der Literatur oft verwendeten Begriff „Emotionen” sehr ähnlich. Dawson et al. beispielsweise bezeichnen momentane Stimmungen als „transient emotional states”. Nach Clark/lsen ist eine Emotion ein stimulus-spezifischer affektiver Zustand einer Person, der intensiv empfunden wird und mit spezifischem Verhalten verbunden ist. Emotionen sind der jeweiligen Person fast immer bewußt. Sie können die Wahrnehmungsprozesse und das aktuelle, zielgerichtete Verhalten einer Person beeinflussen. Silberer/Jaekel meinen, daß Emotionen vor allem dadurch gekennzeichnet sind, daß sie „auf bestimmte Dinge, Ereignisse oder Personen ausgerichtet” sind und kommen zur Erkenntnis: „Eine Einkaufsstimmung bezieht sich ... auf bestimmte Handlungen und geht deshalb schon eher in Richtung einer Emotion”. Emotionen und momentane Stimmungen gleichen sich darin, daß beide momentane bzw. affektive Reaktionen sind und nur in bestimmten Situationen auftreten. Deshalb werden beide oft mit Hilfe von Adjektivskalen beschrieben (siehe Kapitel 3.2). Aus diesen Gründen sollen in dieser Arbeit die Begriffe „momentane Stimmungen” und „Emotionen” synonym verwendet werden.

2.2.2 Probleme wegen ungenauen oder fehlenden Definitionen

Schon im vorigen Abschnitt konnte man erkennen, daß die Begriffe von verschiedenen Autoren unterschiedlich definiert werden, so daß es zu Überschneidungen in den Definitionen kommen kann. In der Literatur findet man aber auch oft Autoren, die eine genaue Definition oder Abgrenzung der verwendeten Begriffe völlig vernachlässigen. Dies zeigt sich in folgenden Situationen:

Einige Autoren machen keine Abgrenzung zwischen den verschiedenen Begriffen. Shatin schreibt z.B. „... mood response ... along an affective continuum between two contrasting antipodes of emotion (mood)”. Stimmungen und Emotionen machen für ihn keinen Unterschied. Ähnliches kann man auch bei Fried/Berkowitz und Isen et al. feststellen, die manchmal von „mood” und manchmal von „feelings” sprechen, ohne daß sie die Begriffe differenzieren. Auch Bower unterscheidet nicht zwischen „mood”, „emotion” und „feeling”, sondern verwendet die Begriffe synonym. Es lassen sich noch viele Beispiele dieser Art bei anderen Autoren finden.

Viele Autoren definieren die Begriffe „Stimmungen”, „Emotionen” oder „Gefühle” erst gar nicht, sondern operationalisieren diese nur. Bei Tauber, Shatin und Fried/Berkowitz findet man keine Definition dieser Begriffe. Ähnliches gilt für Golden/Zimmer, die „mood” lediglich mit „concept of affect” beschreiben. Die genannten Autoren operationalisieren die Begriffe dann im empirischen Teil ihrer Arbeiten durch Adjektivskalen. Eine Operationalisierung ersetzt jedoch nicht eine Definition der verwendeten Begriffe. Yalch/Spangenberg, die ein von ihnen durchgeführtes Experiment in zwei verschiedenen Aufsätzen erläutern, gebrauchen im einen Aufsatz den Begriff „mood” und im anderen „emotion”, ohne einen von beiden Begriffen zu definieren. Man findet nur eine Operationalisierung mithilfe der Pleasure/Arousal/Dominance-Dimensionen und den dazugehörigen Adjektiv-Skalen. Dieselbe Vorgehensweise findet man u.a. bei Anderson und Sherman/Smith. Auch hier lassen sich bei anderen Autoren noch weitere Beispiele finden, bei denen die Definitionen der verwendeten Begriffe fehlen.

In anderen Fällen werden Stimmungen bzw. Emotionen nur durch bestimmte Determinanten oder Dimensionen beschrieben. Das Problem ist, daß auf diese Weise bestimmte Begriffe durch andere Begriffe, die eigentich auch erklärt werden müssen, definiert werden. Schachter/Singer beschreiben beispielsweise die kognitiven, sozialen und physiologischen Determinanten von „emotional states”. Diese Determinanten bestimmen zwar die Emotionen, stellen diese aber nicht per se dar. Bei Lacher findet man die Aussage „Emotional [response] represents the feelings one has such as joy, sadness or rage”. Hier wird der Begriff Emotionen mit Hilfe anderer Begriffe (Freude, Trauer, Wut) umschrieben. Dabei besteht das Problem, daß die Begriffe „Freude”, „Trauer” und „Wut” selbst erklärungsbedürftig sind. Dasselbe gilt für Schlosberg und Mehrabian/Russell, die Emotionen anhand von jeweils drei Dimensionen beschreiben. Die Dimensionen lauten „Pleasure”, „Attention” und „Activation” bei Schlosberg bzw. „Pleasure", „Arousal” und „Dominance” bei Russell/Mehrabian. Ein weiteres Beispiel sind die von Osgood entwickelten drei affektiven Komponenten, die er als „Evaluation”, „Potency” und „Activity” bezeichnet. Bei all diesen Dimensionen handelt sich um Begriffe, die wiederum erst definiert werden müssen. Die dargestellten Determinanten und Dimensionen sind daher nicht zu einer exakten Begriffsbestimmung geeignet und werden erst im Kapitel 3.2 im Rahmen der Erläuterungen zur Stimmungsforschung näher erklärt werden.

Zusammenfassend erkennt man also folgende Probleme bei den Begriffsbestimmungen:

  1. Einige Definitionen sind nicht überschneidungsfrei, d.h. derselbe Begriff wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich definiert oder bestimmte Begriffe sind eine Unterkategorie eines anderen Begriffes.
  2. Die verwendeten Begriffe werden nicht voneinander abgegrenzt.
  3. Der benutzte Begriff wird nicht definiert, sondern nur operationalisiert.
  4. Ein bestimmter Begriff wird durch andere zu erklärende Begriffe definiert.

Aufgrund dieses unsachgemäßen Umgangs mit Begriffen kann man vermuten, daß viele Autoren glauben, daß die Bedeutung der Begriffe von vornherein klar ist. Daß dies aber nicht zutrifft, zeigt sich an der Vielzahl der möglichen Definitionen für „Stimmungen” (siehe Abschnitt 2.2.1).

2.2.3 Stimmungsdimensionen

Um zu einer eindeutigen Festlegung des Begriffs „Stimmung” zu gelangen und eine für die Arbeit relevante Definition abzuleiten, werden nun die Grunddimensionen dargestellt, auf die sich die bisher genannten Begriffe zurückführen lassen. Grundsätzlich lassen sich Stimmungen nämlich anhand der folgenden vier Dimensionen beschreiben:

  1. Wertigkeit einer Stimmung
  2. Intensität einer Stimmung
  3. Inhaltliche Färbung einer Stimmung und
  4. Dynamik einer Stimmung.

Bei der Wertigkeit geht es um das Vorzeichen einer Stimmung, d.h. eine Stimmung kann positiv oder negativ, sehr gut oder sehr schlecht oder auch neutral sein. Es können dabei im Bereich von positiver bis negativer Stimmung verschiedene Abstufungen vorgenommen werden, wie z.B. sehr positive, positive, eher positive, eher negative, negative oder sehr negative Stimmungen.

Bei der Intensität geht es darum, wie stark die jeweilige Stimmung (egal ob positiv oder negativ) erlebt wird. Je intensiver eine Stimmung ist, desto bewußter wird diese wahrgenommen. Man kann unterscheiden zwischen starken, durchschnittlichen und schwachen Stimmungen. Schwache Stimmungen werden vom einzelnen kaum wahrgenommen, starke Stimmungen sind deutlich spürbar.

Stimmungen unterscheiden sich auch nach ihren inhaltlichen Färbungen. Romantische, sentimentale oder melancholische Stimmungen sind Beispiele für solche inhaltliche Färbungen. Sie können in engem Zusammenhang mit den ersten beiden Stimmungs-Dimensionen stehen. So wird z.B. eine romantische Stimmung als eher positiv und intensiv empfunden. Eine sentimentale Stimmung hingegen kann sowohl positiv als auch negativ sein. Diese Dimension ist also nicht so eindeutig abgrenzbar, da sie offenbar in manchen Fällen von den Dimensionen Wertigkeit und Intensität abhängt, aber manchmal auch unabhängig von diesen ist. Hinzu kommt, daß Ausdrücke wie „romantisch”, „sentimental” und „melancholisch” keine klar definierbaren Bedeutungen haben. Verschiedene Personen verbinden mit diesen Ausdrücken unterschiedliche Begriffe. Aufgrund dieser Ungenauigkeiten ist dieser Dimension eine untergeordnete Rolle zuzuordnen.

Als letzte Dimension ist noch die Dynamik einer Stimmung zu erwähnen. Hiermit wird die Zeitdimension angesprochen. Keine Dynamik haben momentane Stimmungen. Dynamisch sind langfristige Stimmungsverläufe oder Stimmungen zu bestimmten Zeitpunkten, die im Zeitablauf betrachtet werden. Auf diese Weise kann man Stimmungsschwankungen, Stimmungszyklen, Stimmungssprünge u.ä. beobachten und analysieren. Da es im Rahmen dieser Arbeit im wesentlichen um momentane, d.h. undynamische Stimmungen geht, ist diese Dimension von eher geringer Relevanz.

Eine zusätzliche Dimension ist die Gerichtetheit einer Stimmung. Da Silberer/Jaekel Stimmungen aber als ungerichtet ansehen, haben sie diese Dimension weggelassen. Nach Silberer/Jaekel sind nur Emotionen von gerichteter Natur. Da aber Emotionen und momentane Stimmungen in dieser Arbeit gleichgesetzt werden, soll diese Dimension beibehalten werden, so daß man also zwischen gerichteten und ungerichteten Stimmungen unterscheiden kann.

2.2.4 Relevanter Stimmungsbegriff

Stimmungen sind entlang der genannten Dimensionen sehr breit definierbar. Wenn mit dem Stimmungsbegriff gearbeitet werden soll, muß aber genau abgeklärt werden, welche Ausprägungen der Dimensionen man untersuchen will. In dieser Arbeit soll die folgende Definition relevant sein:

Die momentane Stimmung ist der vorübergehende affektive Gefühlszustand einer Person. Dieser Zustand ist von mittlerer Intensität, kann positiv oder negativ sein und ist auf die direkte Umwelt (z.B. die Atmosphäre bzw. Musik in einem Ladengeschäft) der jeweiligen Person gerichtet. Momentane Stimmungen sind in diesem Sinne eine Unterkategorie von Gefühlen und sind mit dem Begriff „Emotionen” gleichzusetzen.

2.3 Musikbegriffe

2.3.1 Definition und Elemente der Musik

Musik repräsentiert in seiner allgemeinsten Form Schallereignisse, die vom Menschen über das Ohr und das Nervensystem aufgenommen werden. Diese Schallereignisse sind nicht zufällig, sondern unterliegen einer absichtsvollen Organisation, die durch eine Vielzahl musikalischer Elemente ermöglicht wird. Diese Elemente, die einem Komponisten zur Verfügung stehen, sollen in dieser Arbeit auch als Musikvariablen bezeichnet werden.

Das musikalische Grundelement ist der Ton, der in verschiedenen Tonhöhen (hoch, mittel, tief) gespielt oder gesungen werden kann. Die Töne werden schriftlich durch Noten in einem Liniensystem festgelegt. Die Beziehung der Töne untereinander werden als Intervalle (Tonabstände) bezeichnet. Man kann dabei generell zwischen engen und weiten Abständen oder speziell zwischen Sekunden, Terzen, Quarten, usw. unterscheiden. Das Aufeinanderfolgen verschiedener Tonhöhen wird als Melodie bezeichnet. Solche Tonfolgen können z.B. aufsteigend oder absteigend sein oder Sprünge aufweisen. Das gleichzeitige Erklingen verschiedener Tonhöhen (mindestens 3) nennt man Akkorde oder Harmonien. Man kann dabei zwischen konsonanten und dissonanten oder auch zwischen einfachen und komplexen Harmonien unterscheiden. Außer den bisher genannten Elementen, die sich eher auf das Grundelement „Ton” beziehen, sind noch die folgenden Variablen wichtig:

Das Tempo der Musik kann schnell, langsam oder eine dazwischenliegende Abstufung sein. Es beruht auf der Anzahl der Klangereignisse pro Zeiteinheit und kann deshalb durch die bpm bzw. die Anzahl der Viertelschläge pro Minute (mithilfe eines Metronoms) gemessen werden. Nicht immer ist das Musiktempo objektiv bestimmbar, weil bei der Wahrnehmung des Tempos durch den Hörer auch melodische und harmonische Faktoren eine Rolle spielen können, z.B. bei einem langsamen Grundtempo mit zugleich schnellen Tonfolgen.

Die Tonart der Musik kann Dur oder Moll sein. Die Dur- und Moll-Tonleitern bestehen aus jeweils fünf ganzen und zwei halben Tonstufen. Die Dur-Tonleiter hat die Halbtonschritte zwischen der dritten und vierten sowie siebten und achten Stufe, die Moll-Tonleiter zwischen der zweiten und dritten sowie fünften und sechsten Stufe. Dies führt dazu, daß den beiden Tonarten jeweils ein eigener Charakter zugeschrieben wird. Die Dur-Tonart hat einen eher fröhlichen Charakter, während die Moll-Tonart eher düstere, bedrückende bzw. traurige Qualitäten hat. Diese Unterteilung ist jedoch umstritten und nicht eindeutig. Außerdem gibt es atonale Musikstücke, die keiner der beiden Tonarten zugeordnet werden können.

Die Lautstärke der Musik kann von äußerst leise bis äußerst laut variieren. Sie kann objektiv gemessen werden als Schalldruck in Dezibel. Eine Erhöhung des Schalldrucks bewirkt eine Steigerung der Lautstärkeempfindung. Wird der Schalldruck z.B. verdoppelt, so ergibt dies einen Zuwachs von 6 dB. Die Schmerzschwelle liegt bei etwa 130 dB. Da jedoch auch verschiedene Tonhöhen (im menschlichen Hörbereich von ca. 16 Hz bis 16 kHz) unterschiedliche Lautstärkeempfindungen hervorrufen, gibt es auch eine subjektive Lautstärkenskala, nämlich die phon-Skala. Ein Schall besitzt eine Lautstärke von x phon, wenn er gleichlaut wie ein Ton der Frequenz 1000 Hz von x Dezibel empfunden wird. Eine Steigerung von 10 phon führt zu einer Verdoppelung des Lautstärkeempfindens. 20 Phon sind mit leisem Flüstern gleichzusetzen, 60 Phon werden bei lautem Sprechen erreicht, und 120 Phon erzeugt ein Flugzeug in unmittelbarer Nähe. Eine weitere Möglichkeit, die Lautstärke zu messen, ist das Ablesen der Zahlen am Lautstärkenregler des Verstärkers. Dies geht aber nur bei Musik, die auf Tonträgern (CD, Kassette) aufgezeichnet ist.

Es gibt noch weitere Musikvariablen, wie z.B. der Takt (3/4, 4/4-Takt), der Instrumenteeinsatz (Klavier, Gitarren, Geigen, Computer), der Einsatz von Singstimmen (mit Vocals, ohne Vocals, Sprache, Inhalt, Stimmlage, Mann, Frau), die Länge des Musikstücks oder die Akzentuierung (Betonung der Note auf der betonten oder unbetonten Taktzeit (letzteres wird Synkope genannt)). Gerade die Akzentuierung ist wichtig im Zusammenhang mit dem Rhythmus eines Musikstücks. Der Rhythmus ist die zeitliche Aufeinanderfolge von Tönen in einer bestimmten Art und Weise. Er kann z.B. gleichmäßig oder ungleichmäßig, staccato oder legato, sanft oder sprunghaft, hart oder fließend sein. Der Rhythmus hängt mit anderen Musikvariablen zusammen. Er entsteht vor allem durch das Zusammenspiel von Tempo, Takt, Akzentuierung und melodischen Bewegungen und läßt sich mithilfe von Tanzbegriffen beschreiben, wie z.B. Walzer, Jive, Rumba, Samba, Polka, usw.

Eng verbunden mit einem Rhythmus ist auch die Variable Musikstil. Ein bestimmter Musikstil ergibt sich aus der Kombination von Rhythmus und einem charakteristischen Einsatz von Instrumenten und Singstimmen. Es handelt sich also um ein sehr komplexes Phänomen, da es eine Kombination aus verschiedenen musikalischen Elementen ist. Beispiele für aktuelle Musikstile sind: Klassik, Pop, Rock, Blues, Balladen, Techno, Dancefloor, Rave, House, HipHop (früher: Rap), Reggae, Jazz, Soul, Funk, Volksmusik, Schlager, Countrymusik, Folk oder auch Indianermusik. Die einzelnen Stile sind nicht immer trennscharf definiert. Sie überschneiden sich teilweise oder haben fließende Übergänge (z.B. Rock und Blues oder auch Techno, Dancefloor und Rave). Es lassen sich bei jedem Stil noch differenziertere „Unterstile” finden (z.B. Softrock, Hardrock, Punk, Grunge oder Heavy Metal als Untergruppe von Rock). In der heutigen Zeit kann man außerdem sehr häufig das Verschmelzen verschiedener Musikstile beobachten, z.B. Soul mit Funk, Rock mit Funk, HipHop mit Jazz, usw. Oft steht hinter einem Musikstil auch ein bestimmter Lebensstil bzw. eine bestimmte Lebenseinstellung, den die Musik textlich und instrumental zu vermitteln versucht.

Alle in diesem Abschnitt dargestellten Musikvariablen sind einzeln oder in kombinierter Form Gegenstand musikpsychologischer Untersuchungen. Im Kapitel 3.3 werden einige dieser Untersuchungen erläutert werden.

2.3.2 Einordnung der Musik ins Marketing-Instrumentarium

Musik ist grundsätzlich dem Marketing-Instrument „Kommunikation“ zuzuordnen. Es handelt sich nämlich um eine Kommunikation mittels Tonzeichen. In dieser Funktion kann Musik auftreten als

  1. eine Form der nonverbalen Kommunikation in der Werbung oder
  2. eine Atmosphärenvariable.

Musik wird als Mittel der nonverbalen Kommunikation in der Fernseh- oder Radio-Werbung eingesetzt und kann als „peripheral persuasion cue“ dienen, d.h. die Musik kann als Gestaltungsfaktor bzw. Modalität eines Werbemittels eine Änderung der Einstellung beim Adressaten der Werbung bewirken, obwohl sie kein zentrales Element der Werbung ist. In diesem Zusammenhang kann die Musik auch zur (klassischen) Konditionierung verwendet werden. Musik wird dabei als unkonditionierter Stimulus eingesetzt, der zusammen mit einem konditionierten Stimulus (z.B. einem Produkt) präsentiert wird. Die Musik hat z.B. eine bestimmte emotionale Wirkung, die dann unter bestimmten Bedingungen auf das Produkt übertragen wird. Solche Bedingungen können low Involvement oder geringe Produktinformationen sein. Neben der Musik gibt es noch weitere Elemente der nonverbalen Kommunikation (z.B. die Körpersprachen, Gesten und Gesichtsausdrücke von Personen oder bestimmte Zeichen und Symbole).

Von größerer Bedeutung ist in dieser Arbeit aber der Einsatz der Musik als Atmosphärenvariable. Schon im Kapitel 2.1.2 wurde das Atmosphärenkonzept erläutert. Dabei wurde erwähnt, daß die Musik als akustischer Reiz einen Teil der Atmosphäre darstellt. Musik kann in Einzelhandelsgeschäften, Restaurants, Fabriken, Büros usw. als Atmosphärenvariable zur Beeinflussung des Verhaltens der Konsumenten oder der Arbeitskräfte einsgesetzt werden. Die wichtigste Marketing-Zielgröße, die beeinflußt werden soll, ist in dieser Arbeit die Stimmung.

Kapitel 2

Ende

3 Theoretische Grundlagen zur Beeinflussung momentaner Stimmungen durch Musik

3.1 Relevante Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie

Die Grundlage der theoretischen Darstellungen im 3. Kapitel bildet das sogenannte S-O-R-Modell des Konsumentenverhaltens, insbesondere die daraus abgeleiteten umwelttheoretischen Varianten. Zu diesem Zweck werden einige in der Literatur vorhandene Modelle dargestellt und ihr jeweiliger Erklärungsbeitrag zum Thema der Arbeit erläutert.

3.1.1 Das neobehavioristische S-O-R-Modell als Ausgangspunkt

Zunächst soll noch ein eher allgemeines S-O-R-Modell vorgestellt werden, das als Ausgangspunkt für die umweltpsychologischen Modelle dienen soll. Dazu bietet sich folgendes Schema an:

Abb. 2: Das neobehavioristische S-O-R-Schema

Reizdarbietung

Momentane Reaktionen
     
Dauerhafte Gedächtnisreaktionen

     

Finale Verhaltensreaktionen

Quelle: Steffenhagen, Hartwig: Ansätze der Werbewirkungsforschung, in: Marketing ZFP, Heft 2, Mai 1984, S.81.

Eine Reizdarbietung (Stimulus) kann eine beliebige Form werblichen Handelns sein, z.B. ein Werbespot im Fernsehen, eine Werbeanzeige in der Zeitung oder auch Displays oder Musik in einem Ladengeschäft.

Die Response-Variable wird in diesem Modell durch finale Verhaltensreaktionen repräsentiert. Zu diesen zählen das Kauf-, Verwendungs- und Kommunikationsverhalten der Konsumenten. In Ladengeschäften bzw. Kaufhäusern sind vor allem das Kauf- und das Kommunikationsverhalten relevant. In Restaurants ist zusätzlich das Verwendungsverhalten (z.B. der Verzehr des Essens) von Bedeutung.

Die Organism-Variable als intervenierende Variable wird hier durch zwei Merkmale beschrieben: Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen der Konsumenten. Letztere Reaktionen beinhalten Elemente der psychischen Prägung, wie z.B. Kenntnisse, Interessen, Einstellungen und Absichten. Es geht also um Inhalte des Langzeitgedächtnisses. In dieser Arbeit von größerer Relevanz sind allerdings die momentanen Reaktionen der Konsumenten, die sich direkt im Anschluß oder unmittelbar bei einer Reizdarbietung ergeben. Dazu gehören affektive, kognitive oder emotionale Reaktionen, die bewußt oder unbewußt ablaufen können. Beispiele hierfür sind Vorgänge der vorbewußten Reizanalyse (Anmutungen, Orientierungsreaktionen), Aktivierung, Aufmerksamkeit, kognitive Auseinandersetzung (Elaborieren) oder emotionales Erleben.

Es ist wichtig, auf die Vernetztheit der Variablen hinzuweisen. Momentane Reaktionen sind notwendige Voraussetzung für dauerhafte Gedächtnisreaktionen. Umgekehrt beeinflussen Gedächtnisreaktionen die momentanen Reaktionen und auch die finalen Verhaltensweisen, die wiederum die dauerhaften Gedächtnisinhalte steuern können. In diesen Zusammenhängen liegt der wesentliche Erklärungsbeitrag dieses Modells zum Thema der Arbeit. Man muß beachten, daß momentane Reaktionen (wie z.B. momentane Stimmungen) grundsätzlich im Zusammenhang mit Gedächtnisreaktionen und finalem Verhalten stehen. Der Erklärungsbeitrag ist aber insgesamt noch sehr gering, da die Variablen noch zu undifferenziert beschrieben werden. Sie können auf jegliche Art von Marketing-Aktivitäten angewendet werden. Deshalb werden in den folgenden beiden Abschnitten die drei Hauptvariablen (Stimulus, Organism und Response) anhand einer umweltpsychologischen Perspektive konkretisiert und weitere in der Literatur verfügbare Modelle auf das Vorhandensein dieser Variablen hin untersucht.

3.1.2 Umweltpsychologische Variablen

Ein Grundsatz der Umweltpsychologie besagt, daß menschliches Handeln durch die Umwelt beeinflußt wird. Der Mensch reagiert auf unterschiedliche Umwelten mit unterschiedlichem Verhalten. Folglich können je nach Gestaltung der Umwelt verschiedene Wirkungen auf das Verhalten einer Person erzielt werden. Die Umwelt bzw. die Atmosphäre in einem Ladengeschäft wird als Stimulus-Variable betrachtet und läßt sich durch visuelle, olfaktorische, taktile und akustische Reize beschreiben (siehe Kapitel 2.1.2). Diese vier Reizdimensionen bilden in ihrem Zusammenwirken die Atmosphäre, die die Produkte im Laden umgibt. Das einzelne Produkt kann als Teil der Atmosphäre oder als isolierter Teil betrachtet werden. Kotler unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen dem greifbaren Produkt („tangible product“) und dem gesamten Produkt („total product“). Das greifbare Produkt ist nur das Produkt selbst (z.B. ein Paar Schuhe, ein Kleidungsstück oder eine Waschmaschine). Das Produkt wird also isoliert betrachtet. Zum gesamten Produkt gehört u.a. zusätzlich der Ort, an dem das Produkt gekauft wird. Dieser Ort ist das Ladengeschäft, genauer die Atmosphäre des Ladens, die in diesem Sinne Bestandteil des gesamten Produktes ist. Da die Musik ein Teil der Atmosphäre ist, kann man auch sagen, daß die Musik ein Teil des gesamten Produktes darstellt.

Die Response-Variable ist im Rahmen dieser Arbeit von geringerer Bedeutung, da die Wirkung von Musik auf die momentane Stimmung im Mittelpunkt steht, d.h. es geht im wesentlichen um eine Stimulus-Organism-Beziehung (Musik ➩ Stimmung). Trotzdem kann die Response-Variable nicht außer acht gelassen werden, da im Marketing nur dann sinnvolle Entscheidungen getroffen werden können, wenn man sich der Wirkungen von Stimmungen (auf die Response-Variable) bewußt ist. In zahlreichen Untersuchungen zur Wirkung von Musik wird die Response-Variable miteinbezogen (siehe Kapitel 3.3). Manchmal wird sogar ein direkter Stimulus-Response-Zusammenhang unterstellt. Dann stellt sich aber die Frage, ob eine solche direkte Beziehung nachweisbar ist. Hier ergibt sich also ein Zurechnungsproblem. Wird ein bestimmtes Response-Verhalten des Konsumenten (z.B. der Kauf eines Produktes) als Ziel formuliert, dann wird es schwierig sein, den Zielerreichungsgrad dem Erfolg einer Stimulus-Variablen (z.B. der Musik) zuzurechnen. Deshalb ist es zweckmäßiger, eine Organism-Variable (z.B. die Stimmung des Kunden) als intervenierende Variable und Zielgröße einzubeziehen, da man dann die Zielerreichung besser dieser Variablen zurechnen kann. Im Kapitel 3.3 wird man sehen, daß dies oft nicht beachtet wird. Als Response-Variablen werden in der Literatur z.B. das Kaufverhalten (Kaufmenge oder Geldausgabe pro Kauf) oder die Verweildauer der Kunden im Laden verwendet.

3.1.3 Umweltpsychologische S-O-R-Modelle

Mit der bewußten Gestaltung einer bestimmten Atmosphäre soll eine bestimmte Wirkung bei den Konsumenten erzielt werden. Ob die gewünschte Wirkung tatsächlich erreicht wird, hängt davon ab, wie die Kunden die Atmosphäre wahrnehmen. Durch den Wahrnehmungsprozeß können die Kunden die Atmosphäre interpretieren, d.h. sie sind imstande zu verstehen, was sie sehen, riechen, hören und ertasten. Man muß dabei unterscheiden zwischen der „intendierten” und der „wahrgenommenen” Atmosphäre. Die Kunden können die Atmosphäre anders wahrnehmen als von den Marketing-Strategen bzw. den Ladendesignern beabsichtigt (intendiert). In diesem Fall wird das Wirkungsziel nicht erreicht und die Ladenatmosphäre muß neu konzeptionalisiert werden. Wenn verschiedene Kunden die Atmosphäre eines bestimmten Ladens unterschiedlich wahrnehmen, dann muß untersucht werden, ob diese Wahrnehmungsunterschiede z.B. auf Persönlichkeitsmerkmalen beruhen.

Die bisherigen Darstellungen führen nun zu folgendem S-O-R-Modell:

Abb. 3: S-O-R-Modell für den Kauf eines Gutes in einem Laden

Quelle: Buckley, Patrick G.: An S-O-R Model of The Purchase of an Item in a Store, in: Advances in Consumer Research, Vol. 18, 1991, S.492.

Die Stimulus-Variable ist bei diesem Modell das im Kapitel 3.1.2 erwähnte „gesamte” Produkt, das aus den Charakteristika des Produktes („Physical Item Characteristics”) und den Eigenschaften des Ladens („Physical Store Attributes”) besteht. Zu den Ladeneigenschaften gehört u.a. die Ladenatmosphäre. Die Organism-Variablen beschreiben, wie die Stimulus-Variablen von den Kunden wahrgenommen („perceived”) werden. Zusätzlich werden im Modell Merkmale der Kosumenten („Consumer Characteristics”) berücksichtigt. Dazu gehören

  • demographische Merkmale (Alter, Geschlecht, Familienstand, ...)
  • sozio-ökonomische Merkmale (Einkommen, Bildung,....)
  • Psychographische Merkmale (Produkt-/Ladenkenntnisse, Einstellungen zum Produkt oder Laden, Shopping-Zweck, ...)
  • Verhaltensmerkmale (Einkaufsstättenwahl, Shopping alleine oder zusammen mit anderen, Shopping für sich selbst oder für andere, ...)

Die Response-Variablen beziehen sich auf das Kaufverhalten („Purchase”) und die Einkaufsstättenwahl („Patronage”) der Kunden.

Der Erklärungsbeitrag dieses Modells zum Thema der Arbeit liegt in der Feststellung, daß es darauf ankommt, wie ein Kunde die Eigenschaften des gesamten Produktes wahrnimmt, damit das jeweilige Ladengeschäft gewählt und/oder Käufe getätigt werden. Wichtig ist auch, daß Persönlichkeitsmerkmale diesen Prozess beeinflussen können.

Da in diesem Modell die Atmosphäre aber nur einen Teil der Ladeneigenschaften darstellt, ist es sinnvoll, sich nur auf die Wahrnehmung der Ladenatmosphäre zu konzentrieren. Außerdem soll nun eine weitere Organism-Variable eingeführt werden, nämlich der Affekt. Zu den affektiven Reaktionen gehören sowohl emotionale als auch kognitive Reaktionen. Zwecks einer genaueren Untersuchung dieses Phänomens soll zunächst folgendes Modell betrachtet werden:

Abb. 4: Die kausale Kette, die Atmosphäre und Kaufwahrscheinlichkeit verbindet

Sensory qualities of space surrounding purchase objects

Buyer’s perception of the sensory qualities of space

Effect of perceived sensory qualities on modifying buyer’s information and affective state

Impact of buyer’s modified information and affective state on his purchase probability

Quelle: Kotler, Philip: Atmospherics as a Marketing Tool, in: Journal of Retailing, Vol. 49, Number 4, Winter, 1973-1974, S.54.

Die sensorischen Qualitäten der Atmosphäre stellen die in Kapitel 2.1.2 erläuterten visuellen, olfaktorischen, taktilen und akustischen Reize dar, die das Kaufobjekt umgeben. Jeder Kunde nimmt nur bestimmte Qualitäten der Atmosphäre wahr. Diese Wahrnehmung kann die Informationsverarbeitung (kognitive Reaktion) und die affektiven (emotionalen) Reaktionen beeinflussen. Kotler meint mit affektiven Reaktionen nur die emotionalen Reaktionen, obwohl mit der Informationsverarbeitung auch eine affektive Reaktion gemeint ist. Hier ist das Modell also etwas unpräzise. Der beschriebene Prozeß soll schließlich bei einem positiven Verlauf zu einer erhöhten Kaufwahrscheinlichkeit und letztlich zu einem tatsächlichen Kauf führen.

Der Erklärungsbeitrag dieses Modells zum Thema der Arbeit ist zum einen die konsequente Einführung des Atmosphären-Konzepts und zum anderen die Einbeziehung von kognitiven und emotionalen (affektiven) Reaktionen, die man aber aufgrund der erwähnten Ungenauigkeit besser differenzieren müßte. Eine solche Verbesserung wird mit Hilfe des folgenden Modells erreicht:

Abb. 5: Allgemeines Ladenwirkungsmodell

Ladenumwelt
(Reizkonstellation, die auf die Käufer einwirkt)

                       

emotionale (gefühlsmäßige) Vorgänge beim Käufer kognitive (gedankliche) Vorgänge beim Käufer
                     
komplexe Verbundwirkungen
(beispielsweise Sortimentswahrnehmung)

beobachtbares Kaufverhalten

Quelle: Bost, Erhard: Ladenatmosphäre und Konsumentenverhalten, in: Behrens G. (Hrsg.); Kaas, K.P., Konsum und Verhalten, Band 12, 1987, S.12.

Hier wird deutlich, daß die Ladenumwelt sowohl emotionale als auch kognitive Vorgänge beim Käufer beeinflußt. Beide Vorgänge sind affektiver Natur, d.h. es sind momentane Reaktionen auf bestimmte Reizkonstellation der Ladenumwelt. Bei den emotionalen Vorgängen handelt es sich um die emotionalen Käuferstimmungen am Einkaufsort. Die kognitiven Vorgänge umfassen einerseits die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen aus der Ladenumwelt oder andererseits die Abrufung von Informationen aus dem Gedächtnis (stimuliert durch die Ladenumwelt). Die Interaktion der emotionalen und kognitiven Vorgänge führt zu komplexen Verbundwirkungen im Sinne von komplexen Wahrnehmungs- und Gedächtnisprozessen. Diese steuern letztlich das beobachtbare Kaufverhalten der Kunden. Die emotionalen Vorgänge sind sehr häufig Gegenstand von Untersuchungen und werden in manchen Fällen sogar als wichtiger erachtet als die kognitiven Vorgänge (siehe die schwarzen Pfeile „” in der Abbildung 5).

Der Erklärungsbeitrag zum Thema der Arbeit liegt bei diesem Modell

  1. in der konsequenten Nutzung des Atmosphäre-Konzepts,
  2. in der klaren Abgrenzung der emotionalen Vorgänge als wichtige Einflußgrößen des Prozesses und
  3. in der Darstellung, daß emotionale Vorgänge mit kognitiven Vorgängen und Wahmehmungsprozessen verbunden sind.

Was bisher noch nicht befriedigend gelöst wurde, ist eine sinnvolle Operationalisierung der Ladenumwelt bzw. Ladenatmosphäre. Außerdem soll die Organism-Variable auf emotionale Zustände eingeschränkt werden, da es ja in dieser Arbeit um momentane Stimmungen geht. Deshalb soll als letztes das folgende Modell vorgestellt werden, das die Vorgänge am besten beschreibt:

Abb. 6: Das Mehrabian/Russell-Modell

Umwelt-Stimuli (Informationsrate)

Emotionen (Freude, Erregung, Dominanz)

Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten

Quelle: Donovan, Robert J.; Rossiter, John R.: Store Atmosphere: An Environmental Psychology Approach, in: Journal of Retailing, V01.58, Nr.1, Spring 1982, S.42.

Die Umwelt-Stimuli wurden bisher als Aufzählungen von einzelnen Elementen bzw. Reizdimensionen beschrieben. Da jedoch solche Aufzählungen sehr komplex sind und unterschiedliche Ladenumwelten völlig verschiedene Elemente besitzen können, müßte für jede Umwelt eine neue und komplizierte Operationalisierung durchgeführt werden. Da dies sehr aufwendig ist, haben Russell/Mehrabian eine Lösung entwickelt, um die Umwelt sparsamer zu beschreiben. Dazu dient das Konzept der Informationsrate einer Umwelt. Die Informationsrate ist definiert als der Grad an Neuigkeit und Komplexität einer Umwelt. Je neuer, intensiver, unbekannter und komplexer eine Umwelt ist, desto reizstärker ist die Umwelt und desto mehr Informationen vermag die Umwelt zu vermitteln. Dieses Konzept erlaubt es, nahezu alle möglichen Umwelten zu beschreiben. Ist die Informationsrate der Umwelt hoch, so kann dies zu emotionalen Reaktionen führen.

Die Emotionen werden durch die Dimensionen Freude, Erregung und Dominanz („Pleasure”, „Arousal”, „Dominance”) beschrieben. Eine genaue Analyse dieser Dimensionen wird im Kapitel 3.2 erfolgen.

Der emotionale Zustand einer Person führt zu einem Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten („Approach” oder „Avoidance behavior”) gegenüber der Umwelt. Dies kann sich in vier Formen äussern:

  1. Das Bedürfnis, in einer bestimmten Umwelt zu bleiben oder diese zu verlassen.
  2. Das Bedürfnis, die Umwelt zu erforschen oder bewegungslos und ohne Interaktion in einer Umwelt zu verharren.
  3. Das Bedürfnis, mit anderen zu kommunizieren oder die Kommunikationsversuche anderer zu ignorieren.
  4. Der Grad der Erleichterung oder Erschwernis bei der Abwicklung des Einkaufs und der Grad der Zufriedenheit mit der Einkaufsabwicklung.

Es muß noch erwähnt werden, daß auch Persönlichkeitsmerkmale den in der Abbildung 6 dargestellten Prozeß beeinflussen können.

Der Erklärungsbeitrag zum Thema der Arbeit ist beim Mehrabian/Russell Modell am größten, da es

  1. auf sämtliche Elemente (z.B. die Musik) einer beliebigen Ladenumwelt (z.B. eines Bekleidungsgeschäfts) anwendbar ist und
  2. ein klares Emotionen-Konzept besitzt (siehe Kapitel 3.3).

Aus diesen Gründen ist dieses Modell schon oft für empirische Untersuchungen eingesetzt worden. Eine modifizierte Version des Emotionen-Konzepts dieses Modells wurde auch in der empirischen Untersuchung dieser Arbeit (siehe 4. Kapitel) verwendet.

3.2 Relevante Erkenntnisse aus der Stimmungsforschung

Die Stimmungsforschung analysiert Stimmungen in drei Aspekten:

  1. Die Ursachen von Stimmungen
  2. Die Wirkungen von Stimmungen
  3. Mögliche Messungen bzw. Operationalisierungen von Stimmungen.

Diese drei Teilbereiche werden im folgenden dargestellt.

3.2.1 Stimmungsursachen

Beim Versuch einer Erklärung von Stimmungsursachen besteht das Problem, daß es dafür kein geschlossenes Konzept gibt. Obwohl die Betrachtung der Stimmungsursachen wichtig ist, um mögliche Ansatzpunkte zur Beeinflussung von Stimmungen zu finden, existiert keine geschlossene Theorie, sondern es stehen lediglich mehrere Ansätze nebeneinander. Im Zusammenhang mit momentanen Stimmungen in Ladengeschäften sind vor allem die folgenden relevant:

  • Umweltpsychologische Theorien
  • Bewältigungstheorien
  • Interaktionstheorien und
  • Persönlichkeitstheorien

Die umweltpsychologischen Theorien wurden schon im Kapitel 3.1 erläutert. Diese stellen die wichtigsten Theorien im Hinblick auf das Thema der Arbeit dar, da sie die Umwelt (bzw. die Atmosphäre eines Ladengeschäfts) als wesentliche Ursache für die momentane Stimmung einer Person sehen.

Bei den Bewältigungstheorien geht es darum, daß die erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe zu einer guten Stimmung der betroffenen Person führt. Dies gilt auch für die erfolgreiche Bewältigung eines Einkaufsvorgangs. Wenn ein Kunde in einem Ladengeschäft seinen Einkauf zur vollsten Zufriedenheit bewältigen kann, dann kann dies ursächlich für die gute Stimmung des Kunden sein. Ein erfolgloser Einkaufsvorgang hingegen kann eine negative Stimmung zur Folge haben.

Die Interaktionstheorien befassen sich mit sozialen Kontakten. Solche Kontakte entstehen auch in einem Ladengeschäft. Die Stimmung anderer Leute kann die eigene Stimmung beeinflussen. Eine positive Ausstrahlung oder anerkennende Worte eines anderen heben die eigene Stimmung. Allerdings besteht dabei auch die Gefahr einer Reaktanz-Reaktion, wenn die freundlichen Worte eines anderen (z.B. des Verkäufers) als Beeinflussungsversuch interpretiert werden. Dies führt zu einer negativen Stimmung. Neben Interaktionen zwischen Menschen („dyadic interactions") können auch Mensch/Maschinen-Interaktionen („monadic interactions") eine Ursache für Stimmungen darstellen. Eine Maschine (z.B. ein Bank- oder Getränkeautomat) mit einem bedienungsfreundlichen System soll zu einer eher positiven Stimmung der Kunden führen.

Die Persönlichkeitstheorien sind prinzipiell auf kurz- und langfristige Stimmungen anwendbar. Persönlichkeitsmerkmale, wie z.B. das Temperament oder Selbstwertgefühl, können die Ursache von Stimmungen darstellen.

Für langfristige Stimmungen sind neben den Persönlichkeitstheorien noch die Zyklentheorien von Bedeutung. Letztere beschreiben z.B. jahreszeitlich oder witterungsbedingte Stimmungszyklen von Personen.

In Laborversuchen werden momentane Stimmungen oft durch Hypnosetechniken induziert. Unter Hypnose sollen sich die Probanden z.B. an eine glückliche oder traurige Szene aus ihrem Leben erinnern und in die Emotionen dieser Szene hineinversetzen. Der Vorteil dieser Technik ist, daß Emotionen gezielt ausgelöst werden können. Der Nachteil liegt aber darin, daß nur etwa 20-25% der Menschen hypnotisierbar sind und daß diese Methode nur in Laborversuchen eingesetzt werden kann.

3.2.2 Stimmungswirkungen

Um entscheiden zu können, welche (Marketing-)Ziele mit einer bestimmten Stimmungspolitik erreicht werden sollen, muß man sich der Wirkungen von Simmungen bewußt sein. In der Literatur wird die Wirkung von Stimmungen auf verschiedene Variablen untersucht. Zu diesen Variablen gehören:

  • die Erinnerung
  • die Speicherung
  • die Wahrnehmung
  • die Beurteilung
  • die Einstellung
  • die Informationsverarbeitung und
  • die offenen Verhaltensweisen.

Bei Untersuchungen zur Wirkung von Stimmungen auf die Erinnerung wurde herausgefunden, daß bei guten Stimmungen eher positive Erinnerungen aus dem Gedächtnis abgerufen werden. Umgekehrt werden bei negativen Stimmungen eher negative Sachverhalte erinnert. Man spricht dabei auch von stimmungskongruenten Erinnerungen. Beispielsweise Isen et al. konnten diesen Effekt in einem Laborversuch nachweisen. Die Erkenntnisse lassen sich auch auf die Situation in einem Ladengeschäft übertragen. Ein Kunde in einem Ladengeschäft, der in positiver Stimmung ist, wird demnach eher positive Informationen in Bezug auf Produkte, Ladeneigenschaften oder Werbungen in Erinnerung rufen als ein Kunde, der in schlechter Stimmung ist.

Derselbe Zusammenhang wird für die Speicherung von Informationen vermutet. Es werden hauptsächlich stimmungskongruente Informationen gespeichert. Je stärker eine Information der momentanen Stimmung entspricht, desto wahrscheinlicher ist es, daß der betreffende Mensch diese Information im Gedächtnis abspeichert.

Auf die gleiche Weise beeinflussen Stimmungen auch die Wahrnehmung. Stimmungen „färben" die Wahrnehmung von Reizen in stimmungskongruenter Richtung oder führen zu selektivrer Wahrnehmnung, d.h. der Mensch nimmt nur Informationen wahr, die seiner momentanen Stimmung entsprechen. Folglich kann man annehmen, daß z.B. der Kunde im Ladengeschäft bei positiver Stimmung eher die positiven Eigenschaften des Ladens wahrnimmt bzw. die Eigenschaften positiver wahrnimmt als er dies in schlechter Stimmung tun würde. Dies kann man z.B. auf die Wahrnehmung der Produktqualität, des Personals oder der gesamten Ladenatmosphäre beziehen. Der Wahrnehmungsaspekt wurde auch schon im Kapitel 3.1.3 bei der Erläuterung der umweltpsychologischen Modelle angesprochen (siehe insbesondere die Abbildungen 3,4 und 5). In diesem Zusammenhang ist wichtig, daß die momentane Stimmung die Wahmehmung der Ladenatmosphäre beeinflussen kann.

Auch Beurteilungen werden von Stimmungen in stimmungskongruenter Weise verändert. Produkte oder Ereignisse werden bei guter Stimmung besser beurteilt. Isen et al. haben beispielsweise nachgewiesen, daß auch die Beurteilung von vergangenen Ereignissen auf diese Weise durch die Stimmung der Person beeinflusst wird.

Die Wirkung von Stimmungen auf die Informationsverarbeitung kann folgendermaßen ablaufen: Je besser die Stimmung eines Menschen ist, desto geringer ist seine Kapazität und Motivation, Informationen zu verarbeiten. Auch die Dauer der Verarbeitung ist dann kürzer. In schlechter Stimmung verarbeitet der Mensch Informationen länger und intensiver und ist deshalb mit objektiven Argumenten besser zu überzeugen. Allerdings sind die Ursachen dieses Phänomens noch nicht eindeutig bekannt, da man nicht genau weiß, ob dies am „Können” oder „Wollen” des Menschen liegt.

Eine Wirkung von Stimmungen auf die Einstellung von Personen kann ebenfalls nachgewiesen werden. Bei Silberer/Jaekel findet man dazu einen ausführlichen Ansatz mit dem Elaboration-Likelihood-Modell. Dieser Ansatz kommt zu dem Ergebnis, daß Beeinflussungsversuche bei gut gestimmten Menschen zu positiveren Einstellungen führen können.

Stimmungen können auch eine Wirkung auf das offene Verhalten von Personen haben. Dieser Zusammenhang ist besonders wichtig, da aus Sicht des Marketing letztlich eine offene Reaktion (z.B. der Kauf eines Gutes) erreicht werden soll. In Bezug auf Ladengeschäfte sind z.B. die Verweildauer oder die Geldausgabe von Bedeutung. Ebenso ist auch die Vorstufe des offenen Verhaltens relevant, wie z.B. die Kaufintention. Diese Variablen können durch die momentane Stimmung beeinflußt werden. Eine gute Stimmung wirkt kaufförderlicher als eine schlechte Stimmung. Die Wirkung von Stimmungen auf offene Reaktionen ist jedoch nicht immer klar. Vor allem negative Stimmungen sind in ihrer Wirkung nicht immer eindeutig vorhersagbar. Es kommt darauf an, welche Art von negativer Stimmung gemeint ist. In Experimenten wurde festgestellt, daß die Hilfsbereitschaft bei trauriger Stimmung erhöht, bei frustrierter Stimmung hingegen verschlechtert wird. Wenn ein Mensch bei trauriger Stimmung (= negativ) also große Hilfsbereitschaft (=positiv) zeigt, dann verhält er sich aber nicht stimmungskongruent. Man erkennt daran, daß negative Stimmungen in ihrer Wirkung komplexer sind als positive Stimmungen.

3.2.3 Stimmungsmessungen bzw. -operationalisierungen

3.2.3.1 Ausdrucksverhalten und biophysiologische Indikatoren

Am Ausdrucksverhalten eines Menschen kann gemessen werden, in welcher momentanen Stimmung sich dieser befindet. Es können zwei Ausdrucksverhalten beobachtet werden:

  • Die vokale Sprache
  • Die Körpersprache.

Die vokale Sprache besteht aus mehreren Elementen, wie z.B. die Lautstärke der Sprache, das Tempo des Sprechens oder die Verwendung verschiedener Tonhöhen. Diese geben Aufschluß darüber, ob sich ein Mensch in guter oder schlechter Stimmung befindet. Beispielsweise lassen häufige Variationen der Tonhöhen auf eine gute Stimmung schließen. Die Erkenntnisse in diesem Bereich sind aber noch relativ begrenzt und deshalb nicht praktikabel.
Bei der Körpersprache ist vor allem die Mimik des Gesichts von Bedeutung. Am Gesichtsausdruck können bestimmte symmetrische und asymmetrische Veränderungen beobachtet werden. Aus einem rechtsschiefen Anheben der Mundwinkel beispielsweise kann auf eine gute Stimmung geschlossen werden. Ein linksschiefes Absinken der Mundwinkel entspricht einer schlechten Stimmung. Der positive Aspekt dieser Methode ist, daß diese Veränderungen reflexartig verlaufen und somit der betreffenden Person meist nicht bewußt sind. Das Problem ist aber, daß man ein Foto des jeweiligen Gesichts benötigt, um exakte Winkelmessungen durchführen zu können. Bei Untersuchungen in Ladengeschäften ist dies nicht praktikabel, da man jeden einzelnen Kunden fotografieren müßte. Außerdem besteht das Problem mit dem Recht einer Person auf ihr eigenes Bild.

Eine andere Möglichkeit der Stimmungsmessung ist die Messung anhand biophysiologischer Indikatoren. Physiologische Veränderungen bei einer Person sind Indizien für eine emotionale Erregung. Biophysiologische Indikatoren können z.B.

  • der elektrische Hautwiderstand oder
  • die Gehirnströme

eines Menschen sein.
Der elektrische Hautwiderstand (auch psychogalvanische Reaktion bzw. PGR genannt) kann dazu benutzt werden, um emotionale Reaktionen zu messen. Mit Hilfe von Elektroden, die an der Hand der Probanden festgemacht werden, und einem Galvanometer wird der Widerstand berechnet. Bei dieser Methode ist jedoch nicht sicher, ob damit wirklich die momentane Stimmung oder nur eine allgemeine affektive Reaktion gemessen wird. Vor allem kann man auf diese Weise nicht die Wertigkeit einer Stimmung bestimmen.
Bei einer Messung der Gehirnströme ist es möglich, die Wertigkeit einer Stimmung festzustellen, Mit einem EEG (Elektroenzephalogramm) kann die Stärke bzw. Frequenz der Gehirnströme (in Hz) erfaßt werden. Wenn das Gehim in der vorderen linken Region stärkere Gehirnströme aufweist als in der vorderen rechten Region, dann befindet sich die Person in einer guten Stimmung. Die Methode eignet sich aber eher dazu, um durch wiederholte Messungen bei einer Person Stimmungsunterschiede festzustellen. Einzel-Messungen sind kaum aussagekräftig.

Weitere Möglichkeiten für biophysiologische Messungen sind der Blutdruck oder der Herzschlag des Menschen. Aufgrund des apparativen Aufwandes und den genannten Unsicherheiten sind die biophysiologischen Methoden eher nicht zur Messung der momentanen Stimmung am Einkaufsort geeignet. In Laborversuchen sind die Methoden aber durchaus anwendbar.

3.2.3.2 Befragung mittels Adjektivskalen

Die für das Marketing sinnvollste und am einfachsten durchzuführende Methode zur Messung von Stimmungen von Personen ist die Anwendung der Semantischen Differential-Technik, bei der Stimmungen durch bipolare Adjektiv-Skalen operationalisiert werden. In der Literatur findet man eine Vielzahl möglicher Adjektiv-Skalen. Meistens haben diese Skalen auch einen theoretischen Hintergrund. Man findet sehr oft den Fall, daß hinter den Skalen bestimmte Stimmungsdimensionen stehen. Diese sind nicht mit den im Kapitel 3.2.3 dargestellten Grunddimensionen von Stimmungen zu verwechseln. Die Dimensionen, um die es jetzt geht, sind inhaltliche Konkretisierungen von Stimmungen. Es werden nun ein paar solche Beispiele erläutert.

Schlosberg entwickelte drei Dimensionen von Emotionen. Diese bauen auf der Aktivierungstheorie der Emotionen auf. Nach dieser Theorie sind Emotionen mit Aktivierung gleichzusetzen. Die Aktivierung ist ein Kontinuum, das von hoher Aktivierung (starke Emotionen) bis zu niedriger Aktiverung (Schläfrigkeit) reicht. Mit zunehmender Aktivierung wird das zentrale Nervensystem angeregt. Je größer die Aktivierung ist, desto schneller kann man auf Umweltstimuli reagieren. Die Emotion „Ärger” ist z.B. mit einer relativ hohen Aktivierung verbunden, die Emotion „Wut” mit einer noch höheren Aktivierung. Nach der Aktivierungstheorie werden nur hohe Aktivierungsniveaus als Emotionen bezeichnet. Schlosberg meint aber, daß Emotionen völlig verschiedene Aktivierungsstufen haben können, also auch niedrige Aktivierungen. Als erste Dimension von Emotionen ist also die Aktivierung zu sehen, die von Schläfrigkeit („Sieep”) bis zu höchster Spannung („Tension”) gehen kann. Aufgrund von Ergebnissen aus der Gesichtsausdrucks-Forschung kommt Schlosberg zu zwei weiteren Dimensionen, nämlich die Freude und die Aufmerksamkeit. Die drei Dimensionen lauten wörtlich:

  • Pleasure-Unpleasure”
  • Attention-Rejection” und
  • Sleep-Tension”.

Er bildet diese Dimensionen in einem dreidimensionalen Raum ab. Die folgende Abbildung illustriert dies.

Abb. 7: Das Emotionen-Modell nach Schlosberg

Quelle: Schlosberg, Harold: Three Dimensions Of Emotion, in: The Psychological Review, VoIl.81, Nr.2, March 1954, S.87.

In der Abbildung erkennt man, daß der Raum durch die drei Emotions-Dimensionen aufgespannt wird. Die A-R-Achse („Attention-Rejection”) verläuft orthogonal zur P-U-Achse („Pleasure-Unpleasure”). Diese beiden Achsen bilden einen zweidimensionalen Raum, auf dem die Emotionen in ungefähr kreisförmiger Anordnung plaziert werden können. Dieser Raum kann je nach Aktivierungsniveau entlang der Aktivierungsachse verschoben werden. Die Emotionen, die beispielhaft in der Abbildung gezeigt werden, sind nach ihrer höchstmöglichen Aktivierung plaziert. Die Emotion „Überraschung” („Surprise”) ist hier z.B. durch hohe Aufmerksamkeit, hohe Aktivierung und mittlere Freude gekennzeichnet. Auf diese Weise lassen sich alle möglichen Emotionen in diesem Raum plazieren.

Ebenfalls drei Dimensionen findet man bei Osgood. Sie lauten

  • Evaluation
  • Potency” und
  • Activity.

Er bezeichnet sie als affektive Komponenten, die eng verbunden sind mit Emotionen oder Gefühlen. Osgood nennt das Modell „connotative system”. Die Dimension „Evaluation” bezeichnet er als „autonomic, emotional reactions to rewarding and punishing situations”. Den „Potency”-Faktor definiert er als „strong or weak muscular tension to things offering great or little resistance”. Der „Activity”-Faktor entspricht der „Activation”-Dimension von Schlosberg.

Wiederum drei andere Dimensionen findet man bei Russell/Mehrabian. Das Grundmodell wurde schon im Kapitel 3.1.3 dargestellt (siehe Abb.6). Jetzt sollen die drei Komponenten der Emotionen dieses Modells näher erläutert werden. Die drei Dimensionen heißen

  • Pleasure-Displeasure”
  • Arousal-Nonarousal” und
  • Dominance-Submissiveness”.

Mit „Pleasure” ist die Freude einer Person gemeint, Dieser Zustand bezieht sich darauf, ob sich ein Mensch glücklich und zufrieden fühlt. „Arousal” bezeichnet den Grad der Erregung einer Person. Er ist vergleichbar mit dem Aktivierungslevel bei Schlosberg und dem „Activity”-Faktor bei Osgood. Auch Reykowski spricht emotionalen Prozessen eine Erregungskomponente zu und setzt diese gleich mit den Begriffen „Arousal” und „Aktivationskontinuum”. Ebenso findet man bei Kroeber-Riel die Beschreibung von Emotionen als „innere Erregung”. Man kann daraus erkennen, daß die „Erregung” ein theoretisch fundierter Bestandteil von Emotionen ist. Als dritte Komponente im Mehrabian-Russell-Modell ist noch die „Dominance”-Dimension zu erwähnen. Diese beschreibt, ob ein Mensch seine Umwelt kontrollieren und beeinflussen kann, oder ob er sich in seinem Handeln von der Umwelt eingeschränkt fühlt. Man könnte auch von einer Dominanz oder Unterwürfigkeit gegenüber der Umwelt sprechen. Die drei Dimensionen sind grundsätzlich unabhängig voneinander. Es wurde allerdings eine leichte Korrelation zwischen der Freude- und der Dominanz-Dimension festgestellt. Außerdem wurde eine Interaktion zwischen der Freude und der Erregung hinsichtlich des Annäherungs- oder Vermeidungsverhaltens entdeckt: „In a pleasent environment, the greater the arousal, the greater the approach behavior. In an unpleasent environment, the higher the arousal, the greater the avoidance behavior”. Die Erregung verstärkt also das jeweilige Verhalten.

Das Mehrabian-Russell-Modell von 1974 wurde von Russell selbst anno 1980 modifiziert. Die Dominanz-Dimension wurde entfernt, so daß jetzt nur noch die Freude- und Erregungs-Dimension für das Modell relevant sind. Die Dominanz-Dimension ist aus zwei Gründen nicht zu gebrauchen:

  1. Sie erklärt nur einen sehr geringen Teil der Varianz.
  2. Sie beschreibt nicht direkt einen emotionalen Zustand, sondern stellt eher ein kognitives oder soziales Korrelat einer Emotion dar. Sie ist mehr ein Vorläufer oder eine Konsequenz einer Emotion, aber keine Emotion per se.

Russell konstruierte aus den zwei verbliebenen Dimensionen ein „circumplex model” in einem zweidimensionalen bipolaren Raum. Die Freude und Erregung stellen dabei zwei orthogonale Dimensionen dar und stehen deshalb in einer Wechselbeziehung zueinander. Nach einer Analyse von mehreren Adjektivskalen (u.a. mithilfe der Multidimensionalen Skalierung) kommt Russell zu dem Ergebnis, daß die affektiven Komponenten kreisförmig in einem zweidimensionalen Raum abgebildet werden können:

Abb. 8: Das Kreis-Modell nach Russell

Quelle: Russell, James A.: A Circumplex Model of Affect, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol.39, Nr.6, 1980, S.1164.

Die waagerechte Achse stellt die „Pleasure”-Dimension dar, die senkrechte Achse die „Arousal”-Dimension. Die abgebildeten Variablen ergeben sich aus einer Kombination dieser beiden Grunddimension. „Excitement” ist demnach eine Kombination von hohem Grad an „Arousal” und hohem Grad an „Pleasure”. Gegenüberliegende Komponenten sind bipolare Gegenteile, wie z.B. „Excitement” und „Depression”.

Dasselbe Kreis-Modell findet man auch bei Russell/Pratt. Allerdings werden dort die affektiven Komponenten der Umwelt zugeschrieben, d.h. die Umwelt hat dann z.B. eine erregende Wirkung. Russell/Pratt konnten eine Korrelation zwischen der Umweltwirkung und den Emotionen einer Person feststellen. „Pleasure” (als Emotion einer Person) ist z.B. hoch korreliert mit der „Pleasing quality” einer Umwelt, dasselbe gilt für den Zusammenhang zwischen „Arousal” und „Arousing quality”. Insofern sind beide Modelle als äquivalent anzusehen.

Die bipolaren Adjektiv-Skalen, die zur Befragung von Personen gebraucht werden, können aus dem Russell oder Mehrabian-Russell-Modell entnommen werden. In der Literatur wird das Pleasure/Arousal oder das Pleasure/Arousal/Dominance-Modell bei empirischen Untersuchungen oft angewendet (siehe Abschnitt 3.3.2). Allerdings werden nicht immer dieselben Adjektiv-Skalen eingesetzt, sondern meistens leichte Modifikationen vorgenommen. Mehrabian/Russell schlagen die folgenden bipolaren Skalen vor. Jedes Wortpaar stellt ein Semantisches Differential dar mit einer Abstufung von -4 bis +4:

  • Für die Dimension „Pleasure”:
    Happy - Unhappy, Pleased - Annoyed, Satisfied - Unsatisfied, Contented - Melancholic, Hopeful - Despairing, Relaxed - Bored.
  • Für die Dimension „Arousal”:
    Stimulated - Relaxed, Excited - Calm, Frenzied - Sluggish, Jittery - Dull, Wide awake - Sieepy, Aroused - Unaroused.
  • Für die Dimension „Dominance”:
    Controlling - Controlled, Influential - Influenced, In control - Cared for, Important - Awed, Dominant - Submissive, Autonomous - Guided.

Anstatt eine Umwelt anhand der Informationsrate (siehe Kapitel 3.1.3) zu definieren, kann eine Umwelt also auch anhand der emotionalen Reaktionen, die sie auslöst, beschrieben werden. Genau wie die Informationsrate sind auch die emotionalen Reaktionen auf die meisten Umwelten anwendbar. Die „Pleasure”- und „Arousal”-Dimensionen werden deshalb in der emprischen Untersuchung dieser Arbeit dazu verwendet, um die momentane Stimmung eines Kunden in einem Ladengeschäft als Reaktion auf einen Umweltreiz (die Musik) zu bestimmen.

Eine alternative Möglichkeit der Stimmungsoperationalisierung ist der „Warmth monitor”, bei dem der Proband während eines Experiments seine momentane Stimmung fortlaufend mit einem Stift z.B. auf einer Skala von traurig bis glücklich auf einem Papier anzeigen muß. Diese Methode ist allerdings für den Einsatz in Ladengeschäften nicht anwendbar.

Ebenso existieren noch eine Anzahl möglicher Stimmungsskalen, wie z.B. die Basler Befindlichkeitsskala, die BFS Befindlichkeitsskalen, das POMS Profile of Mood States oder die St-S Stimmungs-Skala. Diese Skalen messen zum Teil langfristige und zum Teil kurzfristige Stimmungen.

Eine gute Übersicht über einzelne Emotionstypen und deren Operationalisierungsmöglichkeiten findet man bei Holbrook/Batra.

3.3 Relevante Erkenntnisse aus der Musikpsychologie

3.3.1 Rein musikpsychologische Wirkungsanalysen

Die rein musikpsychologischen Untersuchungen haben keinen direkten Bezug zum Marketing. Trotzdem können bestimmte Erkenntnisse aus diesem Bereich auf das Marketing übertragen werden. Fast alle Untersuchungen in diesem Bereich sind Laborversuche, bei denen den Probanden verschiedene Musikstücke vorgespielt und bestimmte Wirkungskriterien gemessen werden.

In der musikpsychologischen Literatur wird oft der Musik selbst eine bestimmte Stimmung zugeschrieben. Dies zeigt sich schon in der Bezeichnung von Musik als „Sprache der Emotionen”. Die Träger dieser Emotionen sind die einzelnen Musikvariablen.

Hevner kommt in ihren Untersuchungen der Elemente der Expressionen in der Musik zu folgenden Erkenntnissen:

Abb. 9: Effektiver Einsatz von Musikvariablen Teil 1

Quelle: Hevner, Kate: Experimental Studies Of The Elements Of Expression In Music, in: The American Journal of Psychology, Vol.XLVIII, Nr.2., April 1936, S.265.

Abb. 10: Effektiver Einsatz von Musikvariablen Teil 2

Quelle: Hevner, Kate: The Affective Value Of Pitch And Tempo In Music, in: The American Journal of Psychology, Vol.XLIX, Nr.4, October 1937, S.624.

Die kreisförmige Anordung der affektiven Elemente ist der Anordnung der affektiven Komponenten von Russell (siehe Kapitel 3.2.3.2) sehr ähnlich. Die Symbole innerhalb der Kreise zeigen, wie effektiv eine bestimmte Ausprägung einer Musikvariable eine bestimmte Stimmung beschreiben kann. Schnelle Musik (siehe Abb. 9) ist beispielsweise effektiv bei der Beschreibung von glücklichen und aufregenden Stimmungen, während langsame Musik eher träumerische und traurige Zustände darstellen kann.

Ob die Stimmung der Musik auch auf die Stimmung der Probanden wirkt, ist nicht ganz eindeutig. Aber wenn man dies aus einer umweltpsychologischen Perspektive betrachtet, dann kann man zum dem Schluß kommen, daß die Musik als Umweltstimulus die Emotionen auch auf die jeweilige Person überträgt, da der Mensch ja durch seine Umwelt beeinflußt wird. Russell/Pratt (siehe Kapitel 3.2.3.2) hatten ihre Komponenten ja auch der Umwelt zugeschrieben, aber hohe Korrelationen mit den Emotionen von Personen festgestellt. Dies könnte auf diesen Fall übertragen werden.

Ansonsten gibt es noch einige rein musikpsychologische Untersuchungen, die aber kaum Relevanz für das Marketing oder die Stimmungsforschung haben.

3.3.2 Marketingbezogene musikpsychologische Wirkungsanalysen

Das Problem ist, daß in diesem Bereich nur sehr wenige Untersuchungen durchgeführt wurden, bei denen die momentane Stimmung als Wirkungsgröße betrachtet wird. Meistens werden andere Wirkungsgrößen benutzt. Es werden nun ein paar Experimente vorgestellt.

Einer der ersten Untersuchungen zur Wirkung von Musik als Atmosphärenvariable in Ladengeschäften ist das Experiment von Smith/Curnow aus dem Jahre 1966. Sie testeten in zwei Supermärkten die Wirkung der Musiklautstärke. Allerdings fehlt die Angabe, welcher Musikstil verwendet wurde. Das Ergebnis war, daß die Kunden signifikant weniger Zeit im Laden verbrachten, wenn die Musik laut gespielt wurde. Es wurde allerdings keine Wirkung auf die Geldausgabe und die Zufriedenheit der Kunden entdeckt. Allerdings ist die Ausgaberate (Geldausgabe pro Minute) bei lauter Musik signifikant höher als bei leiser Musik, d.h. die Kunden blieben weniger lang im Laden, haben aber gleichzeitig nicht weniger Geld ausgegeben.

Milliman untersuchte in einem Supermarkt die Musikvariable Tempo. Er verwendete drei Stimuli: langsame Musik, schnelle Musik und keine Musik. Langsame Musik führte zu einem signifikant langsameren Tempo des Kundenstroms und zu signifikant erhöhten Tagesumsätzen. Der Vergleich von Musik und keine Musik brachte keine signifikanten Unterschiede.

Milliman führte auch in einem Restaurant eine Untersuchung durch, bei der das Tempo der Musik variiert wurde. Es wurde nur Instrumentalmusik verwendet. Langsame Musik hatte 72 bpm oder weniger, schnelle Musik 92 bpm oder höher. Das Ergebnis war, daß die Restaurant-Besucher bei langsamer Musik signifikant länger blieben und mehr Getränke an der Bar bestellten.

Areni/Kim führten ein Musikexperiment in einer Weinhandlung durch. Das Ergebnis war, daß die Kunden bei Klassischer Musik mehr Geld ausgaben als bei Top40-Musik. Dies lag auch daran, daß sie vor allem teurere Weine kauften. Areni/Kim führen dies darauf zurück, daß klassische Musik besser in ein Weingeschäft paßt. Klassische Musik muß also in anderen Arten von Ladengeschäften nicht automatisch zu Mehrausgaben führen.

Man erkennt, daß nur offene Verhaltensweisen betrachtet werden. Ob diese aber dem erfolgreichen Einsatz der Musik zuzuschreiben sind, kann problematisch sein (Zurechnungsproblem). Es gibt aber auch Untersuchungen, die momentane Stimmungen miteinbeziehen. Dazu gehören die folgenden:

Yalch/Spangenberg führten in einem Bekleidungsgeschäft ein Experiment durch. Dazu wurden leise Hintergrundmusik und laute Vordergrundmusik eingesetzt. Als Hintergrundmusik wurde „Easy listening”-Musik verwendet, und als Vordergrundmusik wurden Top40-Songs abgespielt. Als abhängige Variable wurden die „Pleasure", „Arousal” und „Dominance”-Dimensionen nach Mehrabian/Russell verwendet. Die Kunden wurden nach Verlassen des Ladengeschäfts befragt. Es ergab sich, daß die Leute bei Vordergrundmusik signifikant stärker erregt („arousal”) waren als bei Hintergrundmusik. Außerdem glaubten junge Leute (unter 25), daß sie bei Hintergrundmusik länger im Laden geblieben wären, während ältere Leute (25 und älter) glaubten, sie wären bei Vordergrundmusik länger im Laden gewesen. Diese Angaben beziehen sich nur auf die vom Kunden wahrgenommene Verweildauer, nicht auf die tatsächliche.

Yalch/Spangenberg führten später ein weiteres Experiment in verschiedenen Abteilungen eines größeren Bekleidungsladens durch. Auch hier verwendeten sie Vordergrund- und Hintergrundmusik und die Stimmungsoperationalisierung nach Mehrabian/Russell. Das Ergebnis war aber, daß die Musik keinen Effekt auf die Stimmung hatte. Aber Leute mittleren Alters (25-49 Jahre) blieben bei Vordergrundmusik länger im Laden und gaben mehr Geld aus. Die älteren Leute (über 50 Jahre) taten dasselbe, allerdings bei Hintergrundmusik.

3.4 Bezugsrahmen der empirischen Untersuchung

Wie man sehen konnte, gibt die Musikpsychologie keine eindeutigen Aufschlüße auf die Wirkung von Musik auf die momentane Stimmung von Konsumenten. Es gibt kaum solche Untersuchungen, und die wenigen, die es gibt, sind nicht ganz schlüssig. Trotzdem ist grundsätzlich eine Wirkung von Musik erkennbar. Untersuchungen zur Wirkung des Musikstils gibt es kaum. Die Untersuchung von Klassischer Musik gegenüber Top40-Musik ist sehr ungenau. Top40-Musik beinhaltet viele verschiedene Musikstile. Daß die Lautstärke aber eine Wirkung hat (vor allem auf die Erregung), hat sich gezeigt. Dies führt zu den beiden folgenden Hypothesen:

H1:Musikstil und Musiklautstärke haben eine Wirkung auf die pauschale momentane Stimmung der Konsumenten (isoliert und interaktiv)
H2:Sehr laute Musik führt zu größerer Erregung der Konsumenten als mittellaute Musik

Da Techno-Musik einen sehr harten, stampfenden Rhythmus hat und ein sehr schneller Musikstil ist, wird folgende Hypothese vermutet:

H3:Bei Techno-Musik ist eine größere Erregung der Konsumenten zu erwarten als bei Rock-/Popballaden

Die Wirkung der Musikstile ist völlig unklar. Da es dazu keine Ergebnisse gibt, soll nun die folgende Hypothese geprüft werden:

H4:Bestimmte Musikstile wirken positiver auf die Freude der Konsumenten als andere Musikstile

Die letzte Hypothese betrifft den Interaktionseffekt zwischen Lautstärke und Musikstil:

H5:Die Wirkung einer bestimmten Musiklautstärke auf die Freude und/oder Erregung der Konsumenten ist abhängig vom Musikstil (Interaktionseffekt von Lautstärke und Musikstil)

Als Bezugsrahmen der Untersuchung ist im weiteren das Mehrabian-Russell-Modell zu sehen, bei dem die Musik die Stimulus-Variable und die Freude- und Erregungsdimensionen die Organism-Variable darstellen.

Kapitel 3

Ende

4 Empirische Untersuchung

4.1 Aufbau der Untersuchung

Das Ziel der folgenden empirischen Untersuchung besteht grundsätzlich darin, eine Wirkung von Musikstil und Musiklautstärke in Ladengeschäften auf die momentane Stimmung der Kunden nachzuweisen. Der Nachweis soll durch eine Prüfung der oben genannten Hypothesen erfolgen.

Das Untersuchungsdesign sieht folgendermaßen aus:

Die unabhängigen Variablen sind

  • 3 Musikstile: Techno, Hip Hop, Rock-/Popballaden
  • 2 Lautstärken: mittellaut, sehr laut
  • keine Musik.

Da also 3 x 2 experimentelle Kombinationen möglich sind, handelt es sich um ein 3 x 2 - faktorielles Design mit einer Kontrollgruppe, bei der keine Musik gespielt wurde. Man kommt daher zu insgesamt 7 Stimulusgruppen, was sich im folgenden Schema zeigt:

Tab. 1: Faktorielles Design

mittellautsehr laut
TechnoStimulus 1Stimulus 2
Hip HopStimulus 3Stimulus 4
Rock-/PopballadenStimulus 5Stimulus 6
keine MusikStimulus 7

 

Die abhängige Variable ist die momentane Stimmung der Kunden im Ladengeschäft.

Für die Untersuchung wurden zwei Fragebögen erstellt (siehe Anhang). Der erste Fragebogen wurde für die Experimentiergruppe (Stimulusgruppen 1 bis 6) verwendet, der zweite Fragebogen für die Kontrollgruppe (Stimulusgruppe 7). Der zweite Fragebogen war notwendig, da bei der Kontrollgruppe keine Fragen zur Musik im Laden gestellt werden konnten, da ja keine Musik lief. Fragen zur Musik wurden also im zweiten Fragebogen gestrichen bzw. so umformuliert, daß man z.B. fragt, ob Musik in den Laden passen würde. Ansonsten wurden Fragen, bei denen keine solchen Probleme auftraten, aus dem ersten Fragebogen in den zweiten übernommen. Grundsätzlich sind beide Fragebögen so aufgebaut, daß im ersten Teil allgemeine Fragen zum Verhalten im Laden gestellt werden, im zweiten Teil kommen die eigentlichen Kernfragen zur Stimmung der Personen, danach folgen einige Fragen zum Thema Musik, und im letzten Teil werden noch ein paar demographische Daten abgefragt.

4.2 Operationalisierungen

Zunächst sollen die beiden unabhängigen Variablen Musikstil und Musiklautstärke operationalisiert werden:

Für jeden einzelnen Musikstil wurden jeweils zwei verschiedene CDs verwendet (siehe Anhang): Ein CD-Sampler mit verschiedenen Interpreten eines bestimmten Musikstils und eine CD einer bestimmten Band des jeweiligen Musikstils. Die CDs sind alle aus den Jahren 1994 oder 1995, d.h. es handelt sich um aktuelle CDs.
Der Musikstil Techno ist seit Anfang der 90er Jahre ein sehr beliebter Musikstil. Charakteristisch für Techno-Musik sind die harten, schnellen und gleichmäßigen Schläge. Das Tempo der Musik liegt bei ca. 150 bpm. Teilweise werden sogar 200 bpm oder mehr erreicht. Solche Geschwindigkeiten gehen aber schon in den Bereich des Musikstils Rave über. Mit der Techno-Musik soll in dieser Untersuchung ein sehr schneller und heftiger Musikstil dargestellt werden. Die CDs, die verwendet wurden, enthalten schnelle Techno-Stücke, die insbesondere beim Sampler sogar in den Rave-Bereich gehen.
Rock- und Popballaden sind gekennzeichnet durch ein langsames und fließendes Tempo und sind von eher ruhigem und gefühlsbetontem Charakter. Dieser Musikstil stellt den Gegenpol zur Techno-Musik dar. Der CD-Sampler enthält eine Mischung aus Rock- und Popballaden, während die CD von Gary Moore ausschließlich Rockballaden enthält, die teilweise in den Musikstil Blues übergehen. Charakteristisch bei Rockballaden ist die Verwendung von akustischen Gitarren und E-Gitarren, während bei den Popballaden eher der Einsatz von Keyboards im Vordergrund steht.
Der dritte Musikstil, der getestet wurde, ist Hip Hop. Sprechgesang und groovende Rhythmen sind typisch für diesen Musikstil. Diese Art von Musik wird überwiegend von schwarzen Musikern gemacht und ist nicht so gleichförmig wie z.B. der gleichmäßig stampfende Takt der Techno-Musik, sondern ist charakterisiert durch unterschiedliche rhythmische Akzentuierungen. Auf diese Weise kommt der groovende Charakter dieser Musik zustande. Auf die Musikstücke der verwendeten CDs paßt diese Beschreibung sehr gut.

Die zweite unabhängie Variable, die Musiklautstärke, wurde anhand der Zahlen des Lautstärkenreglers des Verstärkers gemessen: Auf der Skala von 1 bis 9 kann der mittellauten Musik die Zahl 4 und der sehr lauten Musik die Zahl 6 zugeordnet werden. Da kein Messgerät zur Verfügung stand, konnte nicht die dB-Zahl gemessen werden. In anderen Untersuchungen werden 60 dB als leise und 90 dB als laut beschrieben, so daß man vermuten könnte, daß in diesem Experiment die mittellaute Musik ca. 75 dB und die sehr laute Musik ca. 90 dB betragen haben könnte. Da dies aber nicht sicher ist, wird hier auf die Messung anhand des Lautstärkenreglers zurückgegriffen.

Die Operationalisierung der abhängigen Variable, also der momentanen Stimmung bzw. Emotionen, erfolgt anhand der Freude- und Erregungsdimensionen des Mehrabian-Russel-Modells (siehe Kapitel 3.2.3.2). Die Adjektiv-Skalen wurden aus dem Feldexperiment von Yalch/Spangenberg entnommen, die auch eine auf dem Mehrabian/Russell-Modell basierende Untersuchung durchgeführt haben. Die Skalen lauten bei Yalch/Spangenberg im Original:
Für die Freude bzw. „Pleasure”-Dimension:
happy - unhappy, bored - relaxed, satisfied - unsatisfied, annoyed - pleased
Für die Erregung bzw. „Arousal”-Dimension:
calm - excited, sluggish - frenzied, sleepy - wide awake, dull - jittery
Diese Skalen sind in deutscher Übersetzung in die Fragebögen übernommen worden (siehe im Anhang die 7. Frage des Fragebogens).

Auch die 2. Frage des Fragebogens zur Wahrnehmung des Ladens ist von Yalch/Spangenberg übernommen worden. Leider durfte diese Frage aufgrund der Ablehung des Filialleiters nicht gestellt werden und mußte deshalb gestrichen werden.
Da es in der Literatur Hinweise darauf gibt, daß die Musik einen Einfluß auf die Verweildauer im Laden und auf die Geldausgabe hat, wurde die 3. und 4. Frage gestellt.
Die 5. Frage sollte klären, wie die Atmosphäre des Ladens wahrgenommen wurde.
Die Frage nach der pauschalen Stimmung (6. Frage) ist als Kontrollfrage eingesetzt worden, um festzustellen, ob mit der Freude und Erregung wirklich die momentane Stimmung gemessen wurde.
Die restlichen Fragen beziehen sich mehr auf die Musik an sich und auf persönliche Daten.

4.3 Durchführung

Der Ort der Untersuchung war das Bekleidungsgeschäft „Uli Knecht” in der Ehrenstraße 13 in Köln. Die Ehrenstraße/Breitestraße ist eine lange Einkaufsstraße in der Kölner Innenstadt mit fast ausschließlich Einzelhandelsläden, darunter auch sehr viele Bekleidungsgeschäfte unterschiedlicher Preislagen. Auffällig ist, daß in fast allen diesen Bekleidungsgeschäften Musik gespielt wird. Bei „Uli Knecht” handelt es sich um ein Ladengeschäft mittlerer Größe mit einem gehobenerem Preisniveau (in Relation zu den anderen Geschäften in dieser Straße) und einem breitem Bekleidungsangebot. Es werden sowohl Second-Hand-Jeans als auch neue Markenartikel verkauft. Ein Großteil der Artikel sind Eigenmarken von „Uli Knecht”. Zu den Artikeln gehören Hosen, Hemden, Pullover, T-Shirts, Sweater usw. Als Zielgruppe des Ladens gab der Filialleiter 15- bis 30-Jährige an, aber auch Leute höheren Alters machen einen Teil der Kundschaft aus. Die Kundenfrequenz liegt bei ca. 100 Kunden pro Tag.
Für einen Besuch bei „Uli Knecht” muß der Kunde erst einen ca. 10 Meter langen Gang entlang gehen, ehe er den Laden durch eine Glastür, die stets offen ist, betreten kann. Im Gang befinden sich drei Kleiderständer. Links und rechts des Ganges sind Schaufenster. An der Decke des Ganges sind drei Musiklautsprecher angebracht. Auf der Straßenseite direkt zu Beginn des Ganges befindet sich der erste Lautsprecher; ein zweiter und dritter sind in der Mitte und direkt vor der Glastür eingebaut, und im Laden selbst befinden sich auch mehrere Lautsprecher. Die Musik ist also überall im Laden und im Gang gleich deutlich zu hören. Die Lautsprecher werden nicht für Durchsagen, sondern ausschließlich zum Abspielen von Musik verwendet.

Das Experiment wurde vom 25. bis 29. März 1996 durchgeführt. Dieser Zeitraum umfaßte die Wochentage von Montag bis Freitag. Der Ablauf war so angelegt, daß am jeweiligen Tag von 12.00h bis 13.45h, von 13.45h bis 15.30h und von 15.30h bis 17.15h jeweils verschiedene Stimuli eingesetzt wurden und zwar nach folgendem Schema:

Tab. 2: Ablaufplan der Durchführung

TagUhrzeitStimulus
Montag12.00h-13.45hmittellauter Techno (Stimulus 1)
Montag13.45h-15.30hlauter Techno (Stimulus 2)
Montag15.30h-17.15hmittellauter Hip Hop (Stimulus 3)
Dienstag12.00h-13.45hlauter Hip Hop (Stimulus 4)
Dienstag13.45h-15.30hmittellaute Rock-/Popballaden (Stimulus 5)
Dienstag15.30h-17.15hlaute Rock-/Popballaden (Stimulus 6)
Mittwoch12.00h-13.45hkeine Musik (Stimulus 7)
Mittwoch13.45h-15.30hmittellauter Techno (Stimulus 1)
Mittwoch15.30h-17.15hlauter Techno (Stimulus 2)
Donnerstag12.00h-13.45hmittellauter Hip Hop (Stimulus 3)
Donnerstag13.45h-15.30hlauter Hip Hop (Stimulus 4)
Donnerstag15.30h-17.15hmittellaute Rock-/Popballaden (Stimulus 5)
Freitag12.00h-13.45hlaute Rock-/Popballaden (Stimulus 6)
Freitag13.45h-15.30hkeine Musik (Stimulus 7)
Freitag15.30h-17.15hdiverse Stimuli

 

In den Übergangszeiten zwischen den verschiedenen Stimuli wurde darauf geachtet, daß die Leute, die befragt wurden, nur einem Stimulus ausgesetzt waren. Nachdem sich an den ersten beiden Tagen zeigte, daß man etwa 15 Leute pro Stimulus befragen konnte, wurde versucht, in jeder Stimulusgruppe dieselbe Anzahl von 15 Probanden zu erreichen. Grundsätzlich wurde das Ablaufschema zwar eingehalten, aber die Zeiten wurden, falls es notwendig wurde, etwas flexibler gestaltet (+/15-30 Minuten). Am Freitag, dem letzten Tag der Untersuchung, wurden am Ende noch diejenigen Stimuli eingesetzt, bei denen noch nicht 15 Probanden befragt wurden. Insgesamt wurden also 105 (7 x 15) Personen befragt. Dies bedeutet wiederum, daß bei jedem Musikstil 30 Leute und bei den beiden Lautstärken jeweils 45 Leute befragt worden sind.

Der Ablauf der Befragung sah folgendermaßen aus: Der Autor stellte sich als Interviewer in den Gang direkt neben die Glastür, so daß die Probanden direkt beim Verlassen des Ladengeschäfts befragt werden konnten. Aufgrund der Tatsache, daß auch im Gang die Musik lief und daß der Gang selbst auch ein wesentlicher Teil des Ladens ist, kann man erwarten, daß die Atmosphäre noch deutlich auf die Probanden einwirken konnte. Als die Probanden durch die offene Glastür kamen und den Gang betraten, wurden sie gefragt, ob sie fünf Minuten Zeit hätten, an einer kurzen Umfrage im Rahmen einer Diplom-Arbeit zum Thema „Ladenatmosphäre” teilzunehmen. Wurde dieser Frage zugestimmt, dann wurden dem Probanden nacheinander die Fragen des Fragebogens vorgelesen und die Antworten des Befragten notiert. Bei den Fragen zur Stimmung wurde dem Probanden ausdrücklich gesagt, er solle die Atmosphäre im Laden auf sich wirken lassen und dann sagen, welche Stimmung er dabei empfinde. Die Dauer der Interviews schwankte zwischen 5 und 10 Minuten. Die Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.

4.4 Auswertungsmethoden

Die Auswertung des Datenmaterials wurde hauptsächlich mit Hilfe von Varianzanalysen durchgeführt. Bei dieser Analysemethode handelt es sich um ein „Verfahren, das die Wirkung einer (oder mehrerer) unabhängiger Variablen auf eine (oder mehrere) abhängige Variablen untersucht” [2]. Da es in dieser Untersuchung zwei unabhängige und eine abhängige Variable gibt, handelt es sich um eine zweifaktorielle Varianzanalyse. Die unabhängigen Variablen erfordern lediglich eine Nominalskalierung, die abhängige Variable eine metrische Skalierung. Diese Bedingungen können eingehalten werden, da Musikstil und Musiklautstärke nominalskaliert und die Adjektivskalen der Stimmung metrisch skaliert sind. Anhand der Varianzanalyse soll dann erklärt werden, ob die Streuungen der einzelnen Beobachtungswerte um den Gesamtmittelwert zufällig (durch äußere Einflüsse) oder systematisch (durch Musikstil oder Musiklautstärke) sind. Die Varianz ist definiert als mittlere quadratische Abweichung:

Varianz   =   Summe der quadrierten Gesamtabweichungen/Zahl der Beobachtungen - 1

Die Zahl im Nenner wird auch als Zahl der Freiheitsgrade (DF) bezeichnet. Die Zahl im Zähler ist die Gesamtabweichung, die sich zusammensetzt aus der erklärten Abweichung und der nicht erklärten Abweichung. Die erklärte Abweichung ist die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen den Faktorstufen. Die nicht erklärte Abweichung ist die Summe der quadrierten Abweichungen innerhalb der Faktorstufen. Mit Faktorstufen sind die Stufen „mittellaut” und „laut” des Faktors „Musiklautstärke” und die Stufen „Techno”, „Hip Hop” und „Rock-/Popballaden” des Faktors „Musikstil” gemeint.
Um herauszufinden, ob die Wirkung einer Variablen statistisch signifikant ist, muß ein F-Test durchgeführt werden. Für diesen Zweck muß zuerst eine Nullhypothese aufgestellt werden, die z.B. zur Hypothese 1 folgendermaßen lautet: Es bestehen bezüglich der Stimmung der Kunden keine Unterschiede in der Wirkung durch einen Musikstil oder durch eine Musiklautstärke. Ob die Nullhypothese verworfen werden kann, hängt davon ab, ob der empirische F-Wert größer ist als der theoretische F-Wert. Der empirische F-Wert ergibt sich aus:

F emp   =   Mittlere quadratische Abweichung zwischen den Faktorstufen/Mittlere quadratische Abweichung innerhalb der Faktorstufen

Der theoretische F-Wert kann aus F-Wert-Tabellen (mit verschiedenen Signifikanzniveaus) abgelesen werden. Wenn der empirische F-Wert größer ist als der theoretische F-Wert, dann kann die Nullhypothese verworfen werden.
Auch der Interaktionseffekt (Wechselwirkungen) zwischen verschiedenen Variablen kann mit Hilfe des F-Tests auf statistische Signifikanz überprüft werden.

Zusätzlich wurden noch einige Korrelationskoeffizienten berechnet, um einige Ergebnisse aus der Varianzanalyse genauer interpretieren zu können. Bei Korrelationen geht es um keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen, sondern um Wechselbeziehungen zwischen Variablen, d.h. es geht um die Frage, ob sich bestimmte Variablen einander wechselseitig bedingen.

Die Varianzanalysen und die Berechnungen der Korrelationskoeffizienten wurden mit Hilfe der Programme SPSS für Windows Release 6.1.2 (1995) und Excel Version 4.0 (1992) durchgeführt.

[2] Vgl. Backhaus, Klaus; Erichson, Bernd: Multivariate Analysemethoden, 7.Aufl., Berlin 1994, S.56.

4.5 Ergebnisse

Insgesamt wurden 105 Personen befragt. Davon waren

  • 58 männlich (55,2%)
  • 47 weiblich (44,8%)

Das Alter der Probanden reichte von 15 Jahren bis 57 Jahren.

Das Durchschnittsalter beträgt 29,562 Jahre.

Auf den folgenden Seiten werden nun nacheinander die verschiedenen Hypothesen varianzanalytisch untersucht.

Tab. 3: SPSS-Varianz-Analyse zu Hypothese 1

* * * A N A L Y S I S  O F  V A R I A N C E * * *
 PAUSCHALPauschalstimmung
byLAUTLautstärke
 STILMusikstil
 UNIQUE sums of squares
 All effects entered simultaneously
Source of VariationSum of
Squares
DFMean
Square
FSig
of F
Main Effects17,88935,9637,309,000
LAUT‚4001‚400‚490,486
STIL17,48928,74410,718,000
2-Way Interactions,8672‚433‚331,590
LAUT   STIL,8672‚433‚331,590
Explained18,75653,7514,598,001
Residual68,53384‚816  
Total87,28989‚981  
105 cases were processed.
15 cases (14,3 pct) were missing.

Das Ergebnis zeigt einen signifikanten Einfluß des Musikstils auf die pauschale Stimmung der Konsumenten. Eine Betrachtung der Mittelwerte ergibt, daß der Musikstil Hip Hop am besten abschneidet, während Techno und Rock-/Popballaden keinen signifikanten Unterschied zueinander aufweisen.

 

Tab. 4: SPSS-Varianz-Analyse zu Hypothese 2

* * * A N A L Y S I S  O F  V A R I A N C E * * *
 ERREGUNG 
byLAUTLautstärke
 UNIQUE sums of squares
 All effects entered simultaneously
Source of VariationSum of
Squares
DFMean
Square
FSig
of F
Main Effects418,1781418,17844,073,000
LAUT418,1781418,17844,073,000
Explained418,1781418,17844,073,000
Residual834,978889,488  
Total1253,1568914‚080  
105 cases were processed.
15 cases (14,3 pct) were missing.

Das Ergebnis zeigt einen hochsignifikanten Einfluß der Lautstärke auf die Erregung der Konsumenten. Die sehr laute Musik wirkt sehr erregend.

 

Tab. 5: SPSS-Varianz-Analyse zu Hypothese 3

* * * A N A L Y S I S  O F  V A R I A N C E * * *
 ERREGUNG 
bySTILMusikstil
 UNIQUE sums of squares
 All effects entered simultaneously
Source of VariationSum of
Squares
DFMean
Square
FSig
of F
Main Effects50,689225,3441,834,166
STIL50,689225,3441,834,166
Explained50,689225,3441,834,166
Residual1202,4678713,821  
Total1253,1568914‚080  
105 cases were processed.
15 cases (14,3 pct) were missing.

Das Ergebnis zeigt, daß kein signifikanter Einfluß von Musikstil auf die Erregung zu erkennen ist. Techno-Musik wirkt also in diesem Fall nicht erregender. Die Hypothese muß abgelehnt werden.

 

Tab. 6: SPSS-Varianz-Analyse zu Hypothese 4

* * * A N A L Y S I S  O F  V A R I A N C E * * *
 FREUDE 
bySTILMusikstil
 UNIQUE sums of squares
 All effects entered simultaneously
Source of VariationSum of
Squares
DFMean
Square
FSig
of F
Main Effects337,2222168,61114,424,000
STIL337,2222168,61114,424,000
Explained337,2222168,61114,424,000
Residual1017,0008711,690  
Total1354,2228915,216  
105 cases were processed.
15 cases (14,3 pct) were missing.

Das Ergebnis zeigt, daß der Musikstil einen signifikanten Einfluß auf die Freude der Kunden hat. Wie bei Hypothese 1 ist bei Hip Hop die Freude am größten.

 

Tab. 7: SPSS-Varianz-Analyse zu Hypothese 5

* * * A N A L Y S I S  O F  V A R I A N C E * * *
 ERREGUNG
bySTILMusikstil
 LAUTLautstärke
 UNIQUE sums of squares
 All effects entered simultaneously
Source of VariationSum of
Squares
DFMean
Square
FSig
of F
Main Effects468,8673156,28917,139,000
STIL50,689225,3442,779,068
LAUT418,1781418,17845,858,000
2-Way Interactions18,28929,1441,003,371
STIL   LAUT18,28929,1441,003,371
Explained487,156597,43110,684,000
Residual766,000849,119  
Total1253,1568914,080  
105 cases were processed.
15 cases (14,3 pct) were missing.

* * * A N A L Y S I S  O F  V A R I A N C E * * *
 FREUDE
bySTILMusikstil
 LAUTLautstärke
 UNIQUE sums of squares
 All effects entered simultaneously
Source of VariationSum of
Squares
DFMean
Square
FSig
of F
Main Effects350,0673116,6899,769,000
STIL337,2222168,61114,116,000
LAUT12,844112,8441,075,303
2-Way Interactions,8222,411,034,966
STIL   LAUT,8222,411,034,966
Explained350,889570,1785,875,000
Residual1003,3338411,944  
Total1354,2228915,216  
105 cases were processed.
15 cases (14,3 pct) were missing.

Die Analyse zeigt, daß kein Interaktionseffekt zwischen Musikstil und Lautstärke vorhanden ist. Dies gilt sowohl für die Erregungs- als auch für die Freude-Komponente.

 

Es wurden nun noch einige Korrelationsanalysen mit dem Pearson-Koeffizient durchgeführt, um die Ergebnisse besser interpretieren zu können.

Tab. 8: SPSS-Korrelationsanalyse Musikgefallen-Freude

–   –   C o r r e l a t i o n  C o e f f i c i e n t s   –   –
 MUSIKGEFFREUDE
MUSIKGEF1,0000- ,5189
 (    90)(    90)
 P= , P= ,000
FREUDE- ,51891,0000
 (    90)(   105)
 P= ,000P= ,
(Coefficient / (Cases) / 2-tailed Significance)
" , " is printed if a coefficient cannot be computed

Es zeigt sich, daß eine Korrelation zwischen dem Musikgefallen und der Freude besteht. Das negative Vorzeichen existiert nur deshalb, weil die beiden Elemente entgegengesetzt skaliert sind. Deshalb liegt eine positive Korrelation vor.

 

Tab. 9: SPSS-Korrelationsanalyse Freude-Erregung

–   –   C o r r e l a t i o n  C o e f f i c i e n t s   –   –
 FREUDEERREGUNG
FREUDE1,0000,0091
 (   105)(   105)
 P= , P= ,927
ERREGUNG,00911,0000
 (   105)(   105)
 P= ,927P= ,
(Coefficient / (Cases) / 2-tailed Significance)
" , " is printed if a coefficient cannot be computed

Die beiden Stimmungsdimensionen sind fast gar nicht korreliert, d.h. sie sind unabhängig voneinander.

 

Tab. 10: SPSS-Korrelationsanalyse Freude-Pauschalstimmung

–   –   C o r r e l a t i o n  C o e f f i c i e n t s   –   –
 FREUDEPAUSCHAL
FREUDE1,0000,8890
 (   105)(   105)
 P= , P= ,000
PAUSCHAL,88901,0000
 (   105)(   105)
 P= ,000P= ,
(Coefficient / (Cases) / 2-tailed Significance)
" , " is printed if a coefficient cannot be computed

Das Ergebnis zeigt, daß Freude und Pauschalstimmung stark positiv korreliert sind.

 

Es wurde noch ein interessantes Ergebnis hinsichtlich der Atmosphärenwahrnehmung gefunden. Dazu die folgenden beiden Analysen.

Tab. 11: SPSS-Varianzanalyse zur Atmosphärenwahrnehmung

* * * A N A L Y S I S  O F  V A R I A N C E * * *
 ATMOSPHAAtmosphaere
byLAUTLautstärke
 UNIQUE sums of squares
 All effects entered simultaneously
Source of VariationSum of
Squares
DFMean
Square
FSig
of F
Main Effects11,378111,3787,447,008
LAUT11,378111,3787,447,008
Explained11,378111,3787,447,008
Residual134,444881,528  
Total145,822891,638  
105 cases were processed.
15 cases (14,3 pct) were missing.

Es zeigt sich ein schwach signifikanter Einfluß der Musiklautstärke auf die Atmosphärenwahrnehmung. Bei sehr lauter Musik wird die Atmosphäre schlechter wahrgenommen als bei mittellauter Musik.

 

Tab. 12: SPSS-Korrelationsanalyse Erregung-Atmosphärenwahrnehmung

–   –   C o r r e l a t i o n  C o e f f i c i e n t s   –   –
 ATMOSPHAERREGUNG
ATMOSPHA1,0000- ,4061
 (   105)(   105)
 P= , P= ,000
ERREGUNG- ,40611,0000
 (   105)(   105)
 P= ,000P= ,
(Coefficient / (Cases) / 2-tailed Significance)
" , " is printed if a coefficient cannot be computed

Man sieht, daß eine negative Korrelation zwischen der Erregung und der Atmosphärenwahrnehmung besteht.

 

Ob die beiden Lautstärken auch wirklich deutlich verschieden waren, sollen die folgenden beiden Häufigkeitsverteilungen zeigen:

Bei sehr lauter Musik kam man zu folgenden Werten:

  • 15 Leute (33,3%) fanden die Musik zu laut
  • 1 Person (2,2%) hielt die Musik für zu leise
  • 29 Leute (64,4%) fanden die Lautstärke etwa richtig.

Bei mittellauter Musik kamen die folgenden Werte zustande:

  • 2 Leute (4,4%) hielten die Musik für zu laut
  • 3 Leute (6,7%) fanden die Musik zu leise
  • 40 (88,9%) Leute meinten, die Musik sei etwa richtig.

Bei der sehr lauten Musik meinten also ein Drittel der Leute, sie wäre zu laut, während bei der mittleren Lautstärke fast 9O % der Personen die Lautstärke für angemessen hielten. Also wurden die beiden Lautstärken deutlich von den Kunden wahrgenommen.

Kapitel 4

Ende

5 Diskussion der Ergebnisse

5.1 Implikationen für den Einsatz von Musik zur Ladenatmosphärengestaltung

Zusammenfassend kann man also folgendes feststellen:

Die Hypothesen 1, 2 und 4 sind bestätigt worden.
Die Hypothesen 3 und 5 mußten verworfen werden.

Auffällig ist, daß Hip Hop sowohl am besten auf die pauschale Stimmung (H1) als auch auf die Freude (H4) der Konsumenten wirkt. Dies legt die Frage nahe, ob eine Korrelation zwischen pauschaler Stimmung und Freude zu vermuten ist. In Tab.10 ist eine sehr starke Korrelation nachgewiesen worden. Dies legt den Schluß nahe, daß die Probanden unter pauschaler Stimmung vor allem die Freude-Komponente einer Stimmung meinten.
Warum Hip Hop eine so positive Wirkung hat, läßt sich nur schwer ergründen. Es könnte daran liegen, daß dieser Musikstil weder besonders heftig noch besonders ruhig ist. Die Musik liegt in einem mittleren Bereich, der offensichtlich sehr positiv wirkt. Da Hip Hop ja auch als groovend beschrieben wurde, könnte dies eine positive Freude ausgelöst haben. Eine Ursache könnte allerdings ganz woanders liegen. Deshalb wurde eine Korrelationsanalyse von Freude und Musikgefallen durchgeführt (Tab.8). Aufgrund einer relativ hohen Korrelation kann man folgern, daß die Freude der Probanden damit zu tun hat, daß ihnen die Musik gefallen hat. Dies erstaunt umso mehr, da die meisten Leute angaben, in ihrer Freizeit am liebsten Techno zu hören. Die Hip Hop-Musik hat aber den meisten Leuten wohl trotzdem gut gefallen, was zu einer großen Freude führte. Als Implikation zur allgemeinen Ladenatmosphärengestaltung kann man also nicht unbedingt behaupten, daß es sinnvoll ist Hip Hop-Musik zu spielen, sondern daß es sinnvoll ist, eine Musik zu spielen, die den Leuten gefällt, denn dies führt zu größerer Freude.

Erstaunlich ist auch das Ergebnis, daß sehr laute Musik hochsignifikant auf die Erregung wirkt. Dies könnte auch damit zusammenhängen, daß die Befragung in direkter Nähe eines Lautsprechers stattfand, so daß die sehr laute Musik sehr erregend wirken konnte. Eine zu starke Erregung ist aber nicht immer positiv. Aktivierungstheoretisch kann eine Überaktivierung zu Stress führen. Eine weitere negative Konsequenz von sehr lauter Musik zeigt die Atmosphärenwahrnehmung (Tab.11). Bei lauter Musik wird die Atmosphäre schlechter wahrgenommen. Es besteht eine negative Korrelation zwischen Erregung und Atmosphärenwahrnehmung (Tab.12). Je größer die Erregung ist desto schlechter wird die Atmosphäre wahrgenommen. Aus diesen Gründen sollte hier die Implikation sein, daß die Musik nicht zu laut gespielt werden sollte.

Für Techno-Musik gilt hingegen nicht, daß sie erregend wirkt. Dies ist überraschend, denn in der Literatur wurde ja schon eine Wirkung von schneller Musik nachgewiesen. Dies könnte damit zusammenhängen, daß die meisten Leute ja Techno hören und deshalb diesen Sound schon gewohnt sind. Man kann daraus die Implikation ableiten, daß es nicht immer sinnvoll sein muß, wenn man einen aktuellen und beliebten Musikstil wie z.B. Techno im Laden spielt. Offensichtlich ist bei Techno ein Abstumpfungseffekt vorhanden. Die Musik ist den Leuten zu vertraut.

Wie die Korrelationsanalyse der Erregungs- und Freude-Komponente zeigt, sind die beiden Dimensionen nicht korreliert, d.h. sie sind unabhängig voneinander. Dies steht in Übereinstimmung mit Literaturerkenntnissen.

Ein Interaktionseffekt von Musikstil und Musiklautstärke konnte weder für die Erregungs- noch für die Freude-Komponente nachgewiesen werden (siehe Tab.7).

Daß eine Wirkung von Musik auf das Verhalten der Kunden zur erwarten war, hatte sich schon bei der Suche nach einem geeigneten Laden für die Untersuchung gezeigt. Einige Verkäufer und Filialleiter lehnten es grundsätzlich ab, ein Musikexperiment durchzuführen. Einige andere waren der Idee abgeneigt, einen anderen Musikstil zu spielen als gewöhnlich. In der Praxis ist man sich also einer Wirkung von Musik durchaus bewußt. Im dargestellten Experiment wurde diese Ansicht bestätigt.

5.2 Grenzen und Probleme der Untersuchung

Ein Problem, das sich darstellte, war die Übersetzung der englischen Stimmungsskalen. Oft ist es schwierig, die äquivalenten deutschen Wörter zu finden.

Es stellt sich zudem die Frage, ob die Ergebnisse auch auf andere Läden übertragbar sind. Das Ergebnis, daß man Musik spielen sollte, die den Leuten gefällt, könnte grundsätzlich generalisierbar sein.

Außerdem wurde nur ein Element aus der komplexen Atmosphäre eines Ladengeschäfts untersucht. Auch die anderen Elemente beeinflussen die Stimmung der Kunden. Nicht alle Elemente sind kontrollierbar.

Zudem ist es oft schwierig, die langfristige Stimmung von der kurzfristigen zu unterscheiden. Ob nicht auch Einflüsse von langfristigen Stimmungen in die Ergebnisse eingegangen ist, kann man schwer beurteilen.

Aufgrund der nur begrenzt vorhandenen und unschlüssigen Ergebnisse in der Literatur ist es schwierig, Vergleiche zu ziehen.

Kapitel 5

Ende

6 Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Arbeit wurden umweltpsychologische, stimmungsforschungsbezogene und musikpsychologische Aspekte in Betracht gezogen. Es wurde im theoretischen und empirischen Teil der Arbeit festgestellt, daß es möglich ist, mit Musik die momentanen Stimmungen von Konsumenten in Ladengeschäften zu beeinflussen. In der Literatur ergeben sich allerdings keine einheitlichen Ergebnisse. Die Forschungen in den Bereichen Umweltpsychologie und Stimmungsforschung sind schon relativ weit fortgeschritten, aber es fehlt vor allem noch an musikpsychologischen empirischen Untersuchungen. In diesem Bereich muß noch viel empirische Arbeit geleistet werden. Auch der Einsatz anderer Musikstile sollte getestet werden. Ebenso sollten Untersuchungen in verschiedenen Arten von Läden (z.B. Schuhläden, Kaufhäuser, usw.) unternommen werden. Auch die Wirkung von Musik auf das Ladenpersonal könnte man näher betrachten. Im weiteren ist der Zusammenhang zwischen langfristigen und kurzfristigen Stimmungen noch kaum erforscht worden. Man sieht, es gibt bei diesem Thema noch eine Menge möglicher Forschungsansätze, die in Zukunft angegangen werden können.

Kapitel 6

Ende